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GEROLZHOFEN
Vom Campus auf den Chefsessel
Das Handwerk bemüht sich um Studienabbrecher. Pia Steppat (Mitte) ist eine junge Frau, die ihr Hochschulstudium aufgegeben hat und sich jetzt in einer Ausbildung zur Metallbauerin sehr wohlfühlt. Mit im Bild die Berater der Handwerkskammer, Marie Müller und Roland Maul.
Foto: Norbert Finster | Das Handwerk bemüht sich um Studienabbrecher. Pia Steppat (Mitte) ist eine junge Frau, die ihr Hochschulstudium aufgegeben hat und sich jetzt in einer Ausbildung zur Metallbauerin sehr wohlfühlt.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 21.12.2017 03:09 Uhr

Pia Steppat hat ihr Abitur 2014 am Gymnasium in Wiesentheid gemacht. Danach tat sie, was die meisten Abiturienten tun. Sie begann ein Hochschulstudium. Sie entschied sich für das Fach Maschinenbau an der Fachhochschule Schweinfurt. Der naturwissenschaftlich-technische Bereich hatte sie schon immer interessiert.

Jetzt ist Pia Steppat Auszubildende als Metallbauerin mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik in der Metallbildhauerei von Harald Krischker in Kolitzheim. Von der Hochschulbank an die Werkbank, ein tiefer Einschnitt also in der beruflichen Karriere der 24-Jährigen.

Zu viel Theorie und zu wenig Praxis

Wie kam es dazu? Pia Steppat merkte an der FH schnell, dass das Studium eine sehr theoretische und wenig praxisbezogene Ausrichtung hatte. Erst recht, als sie ein Praktikum bei Harald Krischker machte. Gleich danach stand ihr Entschluss, nach zwei Semestern das Studium aufzugeben. Erst jobbte sie nur bei Krischker, der ihr aber nach einigen Monaten eine Lehrstelle anbot.

„Am Anfang kam mir das Metall schwer, kalt und unhandlich vor“, erinnert sich die Gerolzhöferin. Doch mit der Zeit freundete sie sich mit dem Werkstoff an, erkannte seine Vielseitigkeit und die Varianten bei der Bearbeitung.

Mit Motivation bei der Arbeit

Auf dem Bau fühlt sie sich herausgefordert. Arbeiten auf einem hohen Gerüst, bei Kälte, Wind und Wetter machen ihr zwar zu schaffen, aber das nimmt sie in Kauf. In ihrem Betrieb fühlt sie sich ernst genommen. Ihr Chef nimmt ihre Vorschläge auch bei kniffligen Aufgabenstellungen auf. Was sie besonders freut: Sie darf auch außerhalb der Produktion mal etwas üben, was sie für ihre Arbeit braucht, zum Beispiel das Schweißen. Das trägt dazu bei, dass sie mit Freude und Motivation bei der Arbeit ist.

Die junge Frau glaubt fest, dass sie „ihren“ Beruf gefunden hat. „Ich werde mich nach der Ausbildung noch weiter qualifizieren“, sagt sie schon heute. Im Sommer 2018 wird sie den zweiten Teil ihrer Gesellenprüfung ablegen.

Ihre Eltern, beide Akademiker, haben Pia Steppat keine Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil: „Meine Mutter hat das Leuchten in meinen Augen gesehen, wenn ich nach der Arbeit in schmutzigen Kleidern und abgekämpft nach Hause kam.“ Sie habe gemerkt, dass ihre Tochter jetzt zufriedener ist.

Sehr wichtig, so sagt sie, war aber auch die Begleitung durch die Handwerkskammer mit ihrem Bildungszentrum in Schweinfurt. Dort kam sie mit Roland Maul in Kontakt, der Ausbildungsberater für etwa 3000 Lehrlinge in 90 verschiedenen berufen in der Region Main-Rhön ist. Und mit Marie Müller, die als Karriereberaterin allen jungen Leuten zur Verfügung steht, die am Sinn ihres Studiums zweifeln oder schon so weit sind, aussteigen zu wollen.

Die Handwerkskammer hat in Studienaussteigern eine Gruppe erkannt, mit deren Hilfe sie einen Teil des aktuellen Fachkräftemangels beheben kann. Klein ist diese Gruppe nicht, denn fast jeder Dritte hängt laut Marie Müller sein Studium an den Nagel, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern. „Studienaussteiger bringen aufgrund ihrer Vorbildung und Reife ein großes Potenzial mit“, sagt Roland Maul.

Führungswechsel in 6000 Betrieben

Auch im Handwerk gebe es hervorragende Karriereperspektiven. Maul weist darauf hin, dass alleine in Unterfranken bei rund 6000 Betriebene ein Führungswechsel ansteht.

Für Hochschulabbrecher ist außerdem eine verkürzte Lehrzeit möglich. Über die Dauer der Verkürzung müssen sich Ausbilder und Lehrling verständigen. Im Falle von Pia Steppat wird sich die Lehrzeit um sechs Monate verkürzen.

Und natürlich ist nach Lehre und Gesellenzeit auch der Aufstieg zum Meister möglich. Der Meister ist nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen dem Hochschulabschluss Bachelor gleichgestellt.

Allerdings beginnen bisher lediglich 31 Prozent der Studienabbrecher eine Lehre. Um den großen Rest wollen sich insbesondere Marie Müller, aber auch Roland Maul in Zukunft mit dem Karriereprogramm Handwerk „Vom Campus in den Chefsessel“ noch intensiver bemühen. Dazu gehört es auch, die Ausbildungsbetriebe stärker für Studienabbrecher zu sensibilisieren.

Handwerkskammer unterstützt

In der Praxis bietet die Handwerkskammer Hochschulaussteigern ein Erstgespräch zu Profil, Qualifikationen, Beweggründen, Vorstellungen und Anforderungen an. Sie unterstützt junge Leute auch bei der Suche nach einem Ausbildungsbetrieb und berät zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, etwa Meister-BAföG.

 
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