
Immer wieder festigt Ludwig Weth mit Vorträgen über Grafenrheinfeld seinen Ruf als Dorfchronist. Das kommt an, die Kulturhalle ist jedes Mal bestens gefüllt. Schon vor dem Vortrag gibt es bei Kaffee und Kuchen und die Gelegenheit zum Gespräch, gerne auch mit nostalgischem Touch. Diesmal standen im weitesten Sinne die Vor- und Nachkriegsjahre auf dem Programm; bis ins vorletzte Jahrhundert reichen die gezeigten Fotos.
Überschrieben hat Weth seine Bilder-Präsentation mit "Romantik und Wirklichkeit". Es ging also um die "gute alte Zeit", in der man beim einstigen "Bader" erst den Haarschnitt und dann die Zahn-OP bekam. Nicht immer, so Weth schmunzelnd, klingt eben alles nach "guter alter Zeit". Das traditionelle Kesselfleisch-Essen dagegen kommt auch heute noch mehr als "gut" an, wie Weth mit Blick auf diverse Grafenrheinfelder Veranstaltungen dieser kulinarischen Art hinwies.

Die Archivpflege, die Ludwig Weth mit seinen Vorträgen betreibt, hat eine große Fangemeinde, zu der auch Landrat Florian Töpper zählt. Er lobte die "wirklich fabelhafte Dokumentation", mit der Weth das Verständnis für seine Heimatgemeinde mit den unterschiedlichsten Vorträgen immer wieder schärft. Nur wer in die Vergangenheit eines Dorfes blickt, versteht dessen Entwicklungsgeschichte. Die vielen gezeigten Fotos erzählen Grafenrheinfelds Geschichte und wecken Erinnerungen. Immer wieder gibt es Gemurmel und Gelächter, dazwischen auch erklärende Zwischenrufe – das ist durchaus gewollt; Ludwig Weth ist immer wieder froh, wenn in seinen Ausführungen Namen oder Begebenheiten ergänzt werden.
Der Einstieg in die gute alte Zeit und ihre Wirklichkeit macht nachdenklich, denn auch wenn das Leben so beschwerlich scheint, strahlen die fröhlichen Gesichter oft Zufriedenheit aus. Hoch vom Heuwagen oder Arm in Arm trotzen sie auf diesen eher seltenen Fotos von der Leinwand herunter den komplizierten Zeiten, in denen das stets schnappschussbereite Smartphone noch Lichtjahre entfernt ist. In den Mittelpunkt stellt Weth diesmal den Ortskern, noch heute ist der Altort "elementar für die Identität". Dort in der Dorfmitte ist immer was los, die meisten gemeindlichen Einrichtungen sind da lokalisiert, dazu die Kirche, Wirtschaften und Plätze und auch viele Feste finden immer wieder rund um das Zentrum statt. Selbst die katastrophalen Bombenangriffe am 24. Februar 1944 haben daran nichts geändert.
Vom Ortskern aus hat sich die Gemeinde entwickelt, nach allen Seiten ausgebreitet, wie Weth mit vielen Fotos und Plänen dokumentiert. Im Gegenzug sind viele Handwerksberufe verschwunden, und so gibt es auf der Leinwand ein Wiedersehen mit altbekannten Gesichtern, wie dem Schuster Werner Koch und Bauersfrau Monika Schreiber, die riesige Bleche mit Kirwe-Plootz schleppt, einer Dreschmannschaft, Kolonialwarenhändlern und Bauern. Gezeigt wird auch das älteste Foto von einer Gruppe Handwerkern vor der Pizzeria aus dem Jahre 1865. Alte Kommunionbilder und Fotos von Umzügen sowie eine Gemeinderatsliste von 1906 werden präsentiert. Jeder kennt einen der Fotografierten. Spitznamen wie "Aubls-Franz", "Backich" und "Baster-Leo", der eigentlich Seufert hieß, machen die Runde.

Besonders groß ist das Gelächter, als erst ein Kindergartenfoto vom Altbürgermeister Robert Gießübel und dann einer seiner legendären Faschingsauftritte über die Leinwand flimmert. Ludwig Weth plaudert dazu aus dem persönlichen Nähkästchen: Er kann bis heute nicht verstehen, warum er "als Brävster" vom Lehrer immer schon vorbeugend eins auf die Finger bekam. Je jünger die Fotos werden, umso rasanter die Entwicklung des Ortes. Die gezeigte Grundwassersenkungsanlage von 1956 ist heute noch in Betrieb. Zum Abschluss dankt Weth dem organisierenden FBL-Team, Walter Kasper und Ernst Pabst für die vielen Fotos und appellierte abschließend im Namen des Gemeinderates mit Blick auf den geplanten Sand- und Kiesausbau eindringlich für den "Erhalt der lebenswerten Umwelt". Er bat die Grundstücksbesitzer, ihre Flächen doch der Gemeinde anzubieten.