"Wir schaffen es einfach nicht, die jungen Leute für Volksmusik zu begeistern, das ist ein großes Problem. Die Jüngsten so an die 50, 60 Jahre alt." Bei diesen Worten bilden sich auf der Stirn von Rob Claessens leichte Sorgenfalten, vor allem als er sich im Freizeitzentrum Waigolshausen umschaut und dort Menschen wirklich aller Altersklassen sieht. Darunter auch viele, die um einiges jünger sind als der Niederländer und den "Zauber der Blasmusik" nicht nur genießen, sondern ihn regelrecht in sich einsaugen.
"Faszinierend", findet Claessens, der in den Niederlanden eine Volksmusiksendung eines Radiosenders moderiert. Sein Freund Ruud van Didden, Herausgeber einer auf Volksmusik spezialisierten Fachzeitschrift, sieht ebenfalls ein Altersproblem, was Fans und Musiker in den Niederlanden betrifft. "Aber wir arbeiten daran", verspricht er.
Und wie. Nicht nur durch die Internetseite www.polkafest.nl, an deren deutschen Seite gebastelt wird. Beide organisieren immer wieder Fahrten zu musikalischen Events rund um die Volksmusik, bis weit nach Österreich und darüber hinaus an, und ihre 45 Personen starke Truppe ist nur eine von zweien, die aus den Niederlanden ins unterfränkische Waigolshausen gereist ist, um "Volles Rohr Böhmisch" zu erleben.
Unter diesem Motto hatten die Hergolshäuser Musikanten in diesem Jahr eingeladen, schon zum 17. Mal. Und auch dieser "Zauber der Blasmusik" zeigt, dass die Luft noch lange nicht raus ist. Keinerlei Ermüdungszeichen, keinerlei eingeschliffene und langweilige Routine, sondern zehn Stunden Volksmusik von vier Gruppen, die von morgens zehn bis abends acht (mit Pausen) für einen musikalischen Leckerbissen nach dem anderen sorgten.
"Peter Schad & Seine Oberschwäbischen Dorfmusikanten" waren die ersten auf der Bühne, und die Truppe als Eisbrecher bezeichnen zu wollen wäre respektlos. Zwei Stunden lang heizten Schad & Co die Zuschauer so ein, dass die dankbar waren, direkt danach ihr Mittagessen genießen zu dürfen.
Die Nachspeise eröffnete die siebenköpfige Combo "Die Tegernseer Tanzlmusi", die, gewürzt mit ein paar (manchmal auch zotigen) Witzen, die gut 800 Zuhörer im gut gefüllten Freizeitzentrum, wieder auf Betriebstemperatur zu bringen. Genau die richtige Grundlage für die Lokalmatadoren, die "Hergolshäuser Musikanten".
Der dreifache Europameister der Volksmusik zeigte auch jetzt wieder, warum dieser Titel ganz einfach nach Unterfranken gehört. Der Boden war bereitet für den Abschluss, den "Fegerländern". Das war ganz nach dem Geschmack insbesondere der jüngeren Fans, "die haben nochmal so richtig Gas gegeben", befand Tarek Porr, eigens aus Weiler (Landkreis Mainz-Bingen) angereist - und zwar mit Hintergedanken.
Auf dem Bistrotisch, den Porr mit seinen Freunden Tom Altenhofen und Johanna Dahlmann beschlagnahmt hatte, lagen Flyer für ein Volksmusik-Festival der etwas anderen Art. "Blasmusik Eskalation - Vol. 1" heißt es am 2. November, mit den "Mährischen Freunden", "Heilix Blechle" und - als Headliner, also Hauptattraktion - "Berthold Schick und seine Allgäu 6". Beim Trio ist ein leichter Glanz in den Augen zu sehen, nicht nur wegen ihres eigenen Festivals.
"Die Stimmung hier in Waigolshausen ist super, ein tolles Gesamtkonzept, sehr gute Musik", so das Fazit Porrs im Gespräch mit dieser Redaktion. Insgesamt sieht er die Szene der Volksmusik sehr gut vernetzt, "man kennt sich, man schätzt sich". Vor allem: "Auch hier trifft man immer wieder Leute, die dieselbe Musik schätzen, es werden Visitenkarten ausgetauscht, Flyer ausgelegt."
Eigens dafür ist im Eingangsbereich des Freizeitzentrums ein Tisch aufgestellt, und der ist proppevoll mit Flyern. Zum Beispiel für den "Böhmischen Frühling" (27. April) in der Laimbachtalhalle in Gerach (Landkreis Bamberg) oder "die große Nacht der Blasmusik" (5. Oktober) in Königheim (Main-Tauber-Kreis).
Alles Termine, die auch auf dem Radar der Niederländer zu finden sind. Ihre auch für deutschsprachige gut zu verstehende Internetseite (Musik braucht keine Sprache, Anm.d.Red.) weist übrigens auch auf den 18. "Zauber der Blasmusik" in Waigolshausen hin: Sonntag, 26. Januar 2020, 10 Uhr, dann mit dem "Orchester Roger Halm", "Blechverrückt", "Die Schwindelige 15" und, natürlich, den "Hergolshäuser Musikanten" (Programmänderung möglich).