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Schweinfurt
Volksverhetzung kostet Ex-Busfahrer 2250 Euro
Nimmt einer, der Muslime pauschal mit Terroristen gleichsetzt, sein Recht auf Meinungsfreiheit wahr? Der Amtsrichter hat darauf eine klare Antwort.
Volksverhetzung kostet Ex-Busfahrer 2250 Euro
Foto: Horst Breunig
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:28 Uhr

Kurz nach Weihnachten 2019 veröffentlicht der Schweinfurter Rentner, heute 70 Jahre alt, auf seinem Facebook-Account das Bild eines bärtigen Mannes, "augenscheinlich arabischer Herkunft und Tracht" mit dem Text: "Nicht alle Muslime gehören der ISIS an. Manche gehören zu den Taliban, der Rest zu Al Quaida." Anfang 2020 folgt, ebenfalls im Internet von aller Welt einsehbar, ein Bild mit Klopapierrollen und der Bemerkung "Der Koran jetzt auch gerollt".

Das bleibt für den einstigen Busfahrer nicht ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft sieht in der Verbreitung dieser Äußerungen eine Volksverhetzung, jeweils in Tateinheit mit Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Sie erlässt einen Strafbefehl, gegen den der Beschuldigte Einspruch einlegt, weshalb es zur öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Schweinfurt kommt. Vor dem Einlass zum Gerichtssaal haben die Justizbeschäftigten eine zusätzliche Personenkontrolle installiert.

Dass der Angeklagte die Urheberschaft ohne Umschweife einräumt, rühmt sein Verteidiger fast als Großtat, gebe es doch zahlreiche Fälle, in denen derlei Posts geleugnet werden, etwa mit der Behauptung, auch andere hätten Zugang zum Rechner. Sein Mandant stehe aber zu diesen Einträgen, er habe sich politisch äußern wollen, in diesem Fall über muslimische Flüchtlinge, die dem IS oder Al Quaida nahestehen. Er sei "ein Mensch, der Satire schätzt und auch schwarzen Humor hat".

Klopapierrollen – ein "Jux"

Die Sache mit den Klopapierrollen sei für den Angeklagten Satire, so der Verteidiger, wie sie etwa auch das französische Blatt "Charlie Hebdo" verbreite. Für den Rentner eine Frage der freien Meinungsäußerung. Er habe dies auch ganz unbefangen bei der Polizei als "Jux" bezeichnet. Der Klopapier-Teil der Anklage wird dann schließlich eingestellt. Bezüglich der pauschalen Verunglimpfung aller Muslime als Anhänger terroristischer Organisationen kommt dies für den Staatsanwalt aber nicht in Frage.

Die Äußerungen des Angeklagten in anderen Internet-Posts ergeben ein eher wirres Bild. Da finde sich Ausländerfeindliches wie der angeklagte Punkt eins und in Frakturschrift "Deutschland ist unsere Heimat, wir lassen sie nicht untergehen". Gegen eine generelle rechte Grundhaltung des 70-Jährigen sprechen aber laut dem Polizeiermittler vom Staatsschutz aber Posts wie "Fuck AfD" und "Alle Nazis sind Scheiße". Relevante Erkenntnisse über ihn lägen nicht vor.

"Kein schwarzer Humor"

"Sie sind ein Mann des ungeschliffenen Wortes", sagt der Amtsrichter zu dem Rentner. "Ich bin ein Bauer", erwidert er, "ein ungeschliffener Mensch." Und wie zum Beweis spricht er von (deutschen) Kraftfahrerkollegen, die "wegen jedem Pipifax den Führerschein abgenommen" bekämen, bei osteuropäischen Fahrern – für diese verwendet er ein Schmähwort – sei das ganz anders.

Grundsätzlich steht auf Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten. Der Staatsanwalt meint, diese könne für den nicht Vorbestraften in eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 40 Euro umgewandelt werden. Der Verteidiger hält 20 Tagessätze à 25 Euro für angemessen. Das Urteil lautet: 90 Tagessätze à 25 Euro. 2250 Euro kostet die geteilte Volksverhetzung. Denn: "Von der Meinungsfreiheit ist das nicht gedeckt", sagt der Richter, und mit schwarzem Humor habe dies nichts zu tun. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich. Der Angeklagte nimmt es an.

1500 Euro für Pseudo-Attest

Ganz kurz fällt das Folgeverfahren vor demselben Richter aus, in dem eine 59-Jährige wegen des "Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse" angeklagt ist, nachdem sie Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte. Die Frau hatte bei einer genehmigten Versammlung in Schweinfurt im Dezember 2020, entgegen der Anordnung, keinen Mund-Nasen-Schutz getragen und ein Pseudo-Attest vorgelegt, das sie angeblich davon befreit. Die Ärztin habe diese Frau tatsächlich nie untersucht.

Weil die Angeklagte nicht zur Verhandlung erschien, wurde der Einspruch verworfen und der Strafbefehl rechtskräftig. Das Fake-Attest wird für die Maskenverweigerin damit richtig teuer: 30 Tagessätze à 50 Euro.

 
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  • J. B.
    Man muss wissen, Volksverhetzung gegen Deutsche gibt es nicht, da ist alles erlaubt, andersherum aber nicht.
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  • M. S.
    Der Mann hat ja vor Gericht eindeutig bewiesen wie einfach gestrickt er ist; wie soll so jemand also glaubhaft vermittlen, dass er Satire versteht? Das geht gar nicht und in dem Fall wurde Dummheit und Dumpfheit betrafst!

    @Walger14591609:
    warum sollen sich die normalen Muslime lautstark und klar distanzieren? Quasi für Dinge für die sie nichts können und für die sie nicht verantwortlich sind? Soll ich mich als Katholik auch jeden Tag von Missbrauchssachen in der Kirche distanzieren und diese aktiv gegenüber jedermann verurteilen? Es normaler Mensch kann doch nichts für den "Abschaum" in seiner Verwandtschaft. Der muss eh ständig darunter leiden und nun soll er sich auch noch lautstark und klar von etwas distanzieren? Der normale Muslim/Katholik/was auch immer ist doch eh schon gestraft genug weil er immer auf die negativen Seiten reduziert wird.
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  • W. S.
    Immer wieder dieselben minderbemittelten Figuren, die für ihren verbalen Dreck Satire, Ironie oder 'schwarzen Humor' in Anspruch nehmen wollen. Bei der beachtlichen Zahl von in Deutschland lebenden Muslimen wäre es in der Tat sehr beängstigend, wenn das alles Islamisten oder gar Terroristen wären. Allerdings mangelt es seit eh und je an lautstarken und klaren Distanzierungen der normalen Muslime von diesen Extremisten, die perverser Weise ohnehin meist von ihrer vorgeblichen Religion noch weniger verstehen als der durchschnittliche Bildzeitungsleser.
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  • U. L.
    Die Menschen bekommen es im Fernsehen ja vorgeführt, wie man verbalen Müll als Satire verkauft. Böhmermann lässt grüßen. Wenn wundert es dann, dass manche das als Steilvorlage ansehen und in sog. "sozialen" Medien jeglichen Anstand aufgeben.
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  • W. S.
    Nein, mitnichten, denn Herr Böhmermann ist ein ausgewiesener Satiriker. Ihnen passen einfach seine Inhalte nicht. Das ist aber ganz o.k.
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  • S. K.
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