Am Ende stehen sechs groteske Gestalten mit bunten Perücken im blutroten Scheinwerferlicht und mühen sich Rossinis Finalszene „Di si felice“ über die Bühnenrampe zu bringen. Es ist kein strahlender Sonnenaufgang, der diese Szene bescheint, es ist eher die mausgraue Dämmerung eines Niederganges der italienischen Oper. Ganz ehrlich: Was die Kammeroper München bei ihrem Gastspiel im Theater der Stadt Schweinfurt in einer Sparversion mit Gioacchino Rossinis „Barbier von Sevilla“ präsentierte war musikalisch einigermaßen ordentlich - im Rahmen der Inszenierung aber am Rande der Peinlichkeit und darüber hinaus.
Wie irrwitzig, pointiert, einfallsreich diese Oper in einer modernen Inszenierung sein kann, war vor einigen Jahren bei einem Gastspiel der Kammeroper Prag zu sehen. Da wurde einen ganzen (langen) Opernabend das Publikum köstlich beschäftigt. Ständig war irgendetwas in Bewegung, wurden Schnapsflaschen in den Orchestergraben gereicht und wieder heraus, stolperte der Sänger des intriganten Musiklehrers Basilio zwischen Sperrsitz und Hochparkett umher, seine populäre Verleumdungsarie „La calunia“ direkt aus dem Publikum singend.
Einfallsreich wie eine Sanddüne
Diese Arie gab es diesmal überhaupt nicht zu hören. Dafür wurde zumindest ihr Inhalt im gestelzten Bühnen-Sprech-Deutsch erzählt. Und damit wären wir schon bei einem der Desaster, eines an Desastern langen Abends. Teilweise wurde in italienisch gesungen, dann deutsch gesprochen, dann deutsch gesungen mit italienischen Rezitativen. Man konnte versuchen, dem zähen Treiben auf der Bühne mit buddistischer Gelassenheit zu folgen, wäre da nicht die eigene Armbanduhr gewesen, die das Kunststück vollbrachte, immer langsamer voran zu schreiten.
Keine einzige wirklich zündende Idee, kein roter Faden, kein Esprit, außer dass Originelles vermieden und Peinliches verstärkt wurde. Eine Opern-Inszenierung so bissig, wie ein Gummibärchen und einfallsreich wie eine Sanddüne in der Wüste Gobi. Man kann auch Sackhüpfen auf der Bühne, damit es originell wird - eine Zeit lang zumindest.
Warum bei Bartolos „Un dottore de la mia sorte“ (gepresst und wenig durschlagend – Vladislav Pavliuk) Rosina (ordentlich, aber wenig berauschend Anne Steffens) vor ihm mit weit gespreizten Beinen über die Bühne kriechen muss – keine Ahnung. Warum die Paraderolle jeden Baritons, die weltberühmte Auftrittsarie Figaros (stimmlich noch am überzeugendsten Modestas Sedlevicious) in den zweiten Akt nach der Pause verschoben wurde, erschloss sich ebenso wenig, wie das überdimensionierte Holzbett als spartanisches Bühnenbild (Dorothea Nicolai) auf einem Podest. Warum, dort die männlichen Sänger, wie brünftige Paviane, durch eine Lucke klettern müssen und wieder zurück bleibt ebenfalls das Geheimnis der Regie (einfallsreich sieht wirklich anders aus: Tristan Braun). Und so bleiben Fragen über Fragen, aber keine wirklich schlüssigen Lösungen.
Die Oper, die italienische speziell, braucht moderne Inszenierungen, neue Regie-Einfälle, Wege und Ansätze. Die angestaubten, traditionellen Kostümopern gehören mittlerweile der Mottenkiste längst verblichener Zeiten an. Gottseidank. Nur sind solche Klamauk-Abende, in personaler und inszenierungstechnischer Sparversion, wie bei diesem „Barbier“ ebenfalls komplett überflüssig.
Um den Chor brauchen wir uns nicht kümmern – den gab es nämlich nicht. Ebenso wenig die Verleumdungsarie des Basilo (Timo Hannig), sie fand nicht statt. Nichts Berauschendes aus dem Orchestergraben, wo sich 15 Musiker einschließlich ein Marimba- und Akkordeonspieler mühten etwas Rossini-Herrlichkeit aufkommen zu lassen. Viva Rossini – aber nicht so.
genau DAS, was der Autor hier fordert, ich zitiere: "Die Oper, die italienische speziell, braucht moderne Inszenierungen, neue Regie-Einfälle, Wege und Ansätze. Die angestaubten, traditionellen Kostümopern gehören mittlerweile der Mottenkiste längst verblichener Zeiten an"
Genau SOLCHE Inszenierungen, die barocke und klassische Opern verhunzen, indem sie sie in die Aktualität versetzen, mit grauenvollen bis hin zu nicht vorhandenen Bühnenbildern - sind der Grund, warum ich in den letzten Jahren Opern immer mehr meide, weil in solchen Fällen Komponisten und Librettisten sprichwörtlich "vergewaltigt" werden - und im Grab rotieren müssten.
Ich finde solche Inszenierungen, wie sie hier gefordert werden, einfach nur scheußlich und abstoßend!