Als sich die Streetwork-Pioniere Georg Voigtländer und Uwe Friedrich nach erfolgreichen Jahren neu orientiert haben, musste das Haus Marienthal als Träger auf Nachfolgesuche gehen. Die war nicht einfach, fündig ist man doch geworden: Streetwork ist seit dem Frühjahr 2012 mit Katja Frentz und Christina Stühler Frauensache.
Neu ist auch das Konzept der Geh- und Komm-Struktur. Das heißt: Jugendliche oder junge Erwachsene werden nicht mehr nur „in ihren Lebenswelten“ auf der Straße aufgesucht. Sie können ihre Probleme jetzt auch in einer festen Anlaufstelle mit den Sozialpädagoginnen besprechen. Den Treff in der Roßbrunnstraße 12 gibt es seit Juni, er wird sehr gut angenommen. Dienstag und Donnerstag von 14 bis 16 sowie mittwochs von 9 bis 12 Uhr ist er geöffnet.
Frentz (33) und Stühler (29) sind großteils in der Innenstadt unterwegs. Die Lage am Deutschhof hat sich beruhigt, seit dort der von Uwe Friedrich geleitete städtische Jugendtreff wieder offen ist. Auch in der Gartenstadt ist Ruhe. Punktuell sind Einsätze am Bergl nötig. Schwerpunkt also: Kernstadt.
Die Problemlagen vieler der 14- bis 27-Jährigen – geholfen wird auch Jüngeren und Älteren – „sind existenziell“, sagen Frentz und Stühler. Sie begegnen jungen Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, Suchtproblematik ist an der Tagesordnung. Alle diese Probleme auf der Straße zu besprechen, „ist schwierig“, sagt Frentz. Zur Zeit kommen pro Monat 45 Besucher in den Treff, Tendenz steigend. „Unser Fokus liegt auf der Schaffung positiver Lebensbedingungen, um besondere Belastungen auszugleichen oder abzuwenden“, sagt Frentz. Ein „Zuhause“ im klassischen Sinn kennen viele nicht, „die wissen nicht, wer Papa und Mama sind“, so Stühler.
Wie kommt man an die Klientel heran? Bei ihren Rundgängen sprechen die Sozialpädagoginnen junge Leute an, die oft in Gruppen zusammensitzen oder sich auch alleine irgendwo aufhalten. Die Streetworkerinnen stellen sich vor, schildern ihre Arbeit, bieten anfangs niederschwellige Hilfen an, die gerne angenommen werden. Das ist ein kurzes Telefonat oder ein Papierausdruck aus dem Internet. „Diese Wertschätzung sind viele nicht gewohnt“, sagt Frentz. Und Stühler weiß, dass dieses „schnell mal Dasein ohne Gegenleistung“ vielen Klienten gefällt.
Das große Thema ist aber die „versteckte Wohnungsnot“. Man ist zuhause rausgeflogen, hat selbst wegen der Verhältnisse das Weite gesucht, man findet mal bei dem Kumpel eine Bleibe. Das aber nicht dauerhaft, oft nur für eine Nacht. Dieses „Nomadentum“ beenden, nennt Frentz eine wichtige Aufgabe. Auf der Straße sei eine vertrauliche Beratung nicht möglich. In der Anlaufstelle, die den jungen Menschen einen „Schutzraum“ bietet, erleben sie ein herzliches „Willkommen“. Vermehrt gehören Alleinerziehende mit Kindern, junge schwangere Frauen zu den Besuchern. Das erklärt auch, dass sich die Geschlechter die Waage halten.
Vor kurzem konnten die Streetworkerinnen einem jungen Mann eine Wohnung vermitteln. Wobei das nicht einfach sei. Diplompädagogin Frentz und Sozialarbeiterin Stühler aber sind längst gut vernetzt, stehen in Kontakt zu Stadt, Schuldner- und Suchtberatung, Bildungsträgern und Job-Center. „Viele unserer Klienten sind schon durchs Raster aller Hilfeleistungen gefallen, wir helfen beim Wiederaufbau“, so Stühler. Wie im Fall eines 24-Jährigen. Er bekommt jetzt wieder Hartz-IV-Geld. „Alleine hätte der nicht mehr beim Job-Center vorgesprochen.“
Gibt es Dankbarkeit? „Sehr viel“, antworten Frentz und Stühler fast im Chor. Auch der längst kursierende Spitzname, „die Streeties“, drückt aus, dass sie und ihre Hilfsangebote ankommen. Gemeinsam mit jungen Erwachsenen haben sie am 6. Dezember Schoko-Nikoläuse an Passanten verteilt. Ziel der Aktion: ein Klima der Akzeptanz aller gesellschaftlichen Gruppen erreichen, Vorurteilen entgegenwirken und für ein menschliches Miteinander plädieren.
Unter den problembeladenen Jugendlichen, die sich am Roßmarkt oder im Theaterpark aufhalten, seien „ganz viele sehr hilfsbereit“. Ein Gehbehinderter sei dieser Tage hingefallen, geholfen habe ihm einer aus einer solchen Gruppe.
Und da war da noch ein 27-Jähriger. Seit Tagen hatte er nichts Warmes gegessen. Streetwork veranstaltete daraufhin in der Roßbrunnstraße ein gemeinsames Kochen. Mit so großem Erfolg, dass es ab Januar jeden Monat einen Kurs gibt. Weil es bei den Adressaten oft an existenziellen Dingen wie warme Kleidung, Lebensmittel und eigenem Wohnraum mangelt, hat „Streetwork Schweinfurt“ außerdem ein Spendenkonto eingerichtet: Haus Marienthal, Stichwort Streetwork, Kontonummer 76 00 19 604, Sparkasse Schweinfurt (BLZ 793 501 01). „Wir sind für jede noch so kleine Spende dankbar.“