Im boomenden München wird die Ausdehnung der Fußgängerzone diskutiert. Dieses „Problem“ hat Schweinfurt nicht. Im Gegenteil: Schweinfurts City wird wohl nur bei einer Konzentration des Einzelhandels auf die Kernstadt zu retten sein. Dazu raten auch die Beratungsgesellschaften Dr. Lademann & Partner Hamburg und cima Forchheim in Studien, die die Stadt 2016 bzw. 2017 in Auftrag gegeben hat. Denn: Leerstand in 1 A-Lagen wie in der Spital- oder Rückertstraße war noch vor Jahren undenkbar.
Die 1-A-Lagen lieber zu 100 Prozent belegen
Den Stadtverantwortlichen ist das bewusst, sie wissen: B- und C-Lagen wie Bauerngasse, sind künftig die Adresse für Dienstleister und Leerstände dort müssen in Wohnraum umgenutzt werden, was letztlich ja auch wieder zu Belebung beiträgt.
Im Haupt- und Finanzausschuss diese Woche verkündete die Tagesordnung zwar den Punkt „Perspektiven der Einzelhandelsentwicklung in der Stadt“. Der Fokus lag aber wie erwartet auf der Innenstadt. Markus Sauer, Leiter von Hochbau- und Stadtentwicklungsamt, widmete sich kurz und bündig dem 107-seitigen Lademann-Papier, das auch die ehemaligen US-Gebiete beinhaltet. Die Hamburger sagen aber ebenso, dass in Sachen Handel das Hauptaugenmerk auf die Innenstadt zu legen sei.
Nur jeder zweite Innenstadtbesucher kauft auch ein
Die cima hat sich ein Jahr der City gewidmet. Die Studie „Citymanagement Schweinfurt“, 146 Seiten dick, präsentierte Wirtschaftsförderer Hans Schnabel in übersichtlicher Kürze. Bei der Befragung von 788 Innenstadtbesuchern im März 2017 war die Hälfte aus Schweinfurt, 32 Prozent aus dem Landkreis. Nur jeder Zweite kam zum Einkaufen, Arzt- und Gastrobesuch war der Anlass für die andere Hälfte.
Trotz der Leerstände waren 40 Prozent mit Einkaufsmöglichkeiten und Angebot zufrieden. Bei der Bekleidung wünscht man sich mehr Qualität. Laut cima ist der Anteil derjenigen, die Bekleidung, Elektrogeräte und Sportartikel vermissen, in anderen Städten deutlich höher.
Die Leerstandquote lag zum Zeitpunkt der Erhebung bei 9,9 Prozent. Die 78 leerstehenden Läden waren insgesamt betrachtet unter dem Niveau anderer Oberzentren. Nur auf die 1 A-Lagen bezogen gibt es in Schweinfurt „überdurchschnittlich viele Leerstände“. Thema Parken. Die Erreichbarkeit auch via ÖPNV (Bahn und Bus) wird ebenso gelobt wie die „Fußläufigkeit“.
Kritisiert wird der Mangel an oberirdischen Parkplätzen und Kurzzeitparkzonen. Laut cima ist ein Großteil der innerstädtischen Betriebe online zwar präsent, die Qualität und beispielsweise Facebook-Präsenz sei aber ausbaubar.
Kampf dem Leerstand steht an erster Stelle
Dass City-Managerin Svenja Melchert (seit März 2017) die meiste Arbeit dem klassischen Leerstandsmanagement gewidmet hat und weiter widmet, überrascht nicht. Als Gegenmittel hat sie in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Innenstadt ein Acht-Punkte-Programm erarbeitet, deren Schwerpunkte sie im Ausschuss präsentierte.
Melchert stieg mit der guten Nachricht ein: Der Leerstand ging von 78 auf 70 zurück, weitere werden bald Vergangenheit. Als Beispiel nannte sie die Spitalstraße, wo ein Reisebüro und Möbel Wolf eröffnen. Die Möbelfirma zieht ins frühere Modehaus Fischer ein, der neue Besitzer hat auch die vier Wohnungen darüber saniert und vermietet.
An Ostern ist eine echte SchwEinerEi geplant
Die City-Managerin hat mit vielen Eigentümern gesprochen, arbeitet an einem Flächen- und Leerstandsmanagement, will die „Kunst in Leerständen“ ausbauen und denkt nach den „erfolgreichen Projekten“ wie Baustellenmanagement (Schippi-Schörschle), Fashion Day und Chill in the City (Liegestühle) über eine SchwEInerEI nach, eine Ostereier-Malaktion für Kinder an Ostern.
Das ehrgeizigste Projekt heißt Gründer(kauf)haus. Nach dem Vorbild des GRIBS am Hainig sollen dort Existenzgründer das Laufen lernen. Träger soll die Stadt sein. Als Standort hat man das weitgehend leer stehende (private) Gebäude Rückertstraße 8 im Auge. Angedacht sind dort auch so genannte Co-Working-Arbeitsplätze. In einem Großraum wäre Platz für acht Schreibtische von Anbietern verschiedener Branchen in einem gemeinsamen Büro.
Konzentrieren will sich Melchert außerdem den Themen Online und Tourismus, wie es auch die Studien empfehlen. Der Online-Handel zieht viel Kaufkraft ab, in Schweinfurt macht das 20 Prozent vom Umsatz aus. Dennoch müssten sich die Händler online besser aufstellen und sei es nur, sie im Internet zu finden.
Schiffs- und Rad-Touristen in die City locken
Beim Tourismus will man die Passagiere der Touristenschiffe und die Main-Radfahrer in die City locken. Verbessert werden soll die Beschilderung zum Einzelhandel. Digitale Stadtpläne mit Einkaufstipps an Tiefgaragen und Stadteingängen ist geplant. In der Diskussion wiederholten Fraktionschef Ralf Hofmann und Peter Hofmann (beide SPD) ihre Forderung, das City-Management aufzustocken. Allein das richtige wie ehrgeizige Gründerkaufhaus binde viele Kraft und Zeit, sagte Ralf Hofmann. Peter Hofmann nannte die Bewältigung des von Melchert geschilderten Programms „ohne weiteres Personal nicht vorstellbar“.
Die Antworten glichen denen der Etatberatungen. Wirtschaftsförderer Hans Schnabel und Finanzreferentin Anna Barbara Keck erinnerten an die Aufstockung der Wirtschaftsförderung (Amt 12) durch die für die Märkte (noch Amt 32) zuständigen Mitarbeiter. Viele Projekte seien schon jetzt Gemeinschaftsprojekte, „Melchert steht nicht allein auf weiter Flur steht“, sagte Keck. Schnabel merkte an: Wenn sein(e) Nachfolger(in) in der Wirtschaftsförderung im zweiten Halbjahr 2018 zu dem Ergebnis kommt, dass mehr Personal nötig sei, werde er/sie Gehör finden. Die Stadt sei außerdem nicht der einzige Akteur, gefordert seien, auch finanziell, Handel und Eigentümer.