Es ist kurz vor Mitternacht. Vor dem Pure-Club in Sennfeld herrscht gähnende Leere. Dabei soll gleich ein deutschlandweit bekannter Star auftreten. Ein junger Mann zündet seiner Freundin noch schnell eine Zigarette an, ein Pärchen gibt die Jacken an der Garderobe ab.
In der Bar des Clubs sieht es dann schon etwas gefüllter aus. Doch rappelvoll ist etwas anderes. Ein paar Meter weiter wird klar, warum das so ist. Der Bereich vor der Bühne gleicht einer Legehennen-Batterie. Froh um jeden Zentimeter, den sie näher am Star sein können, kämpfen die meist weiblichen Fans um ihren Platz. Da wird geschubst, gestritten, der Freund als „großer Buddy“ angeschleppt, um die Situation „unter Kontrolle zu bringen“. Ausnahmezustand vor der Bühne.
Doch als es aus den Lautsprechern schallt, „Pietro kommt in einer Minute“, kehrt Ruhe ein. Smartphones werden gezückt, gespanntes Warten auf den Sänger und das deutschlandweite Phänomen.
Fernsehen war immer dabei
Doch wer ist dieser Pietro? Kurz gesagt: Er ist mehr Reality-Star als Sänger. Bekannt wurde er durch die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS), die er 2011 gewonnen hat.
Was danach folgte, waren aber keine musikalischen Höhenflüge. Sein letztes Album, das im Jahr 2013 erschienen ist, erhielt schlechte Bewertungen. Das Portal „laut.de“ bezeichnete es als „Fremdscham“. Und mit anderen CDs von ihm sieht es auch nicht anders aus.
Bekanntheit erlangte er jedoch dadurch, dass er sein Leben fast komplett der Öffentlichkeit bereitgestellt hat. Und dabei war er nicht allein. Er lernte Sarah Engels während DSDS kennen und verliebte sich. Sarah und Pietro, ein bisschen wie die deutsche Brangelina. Vor den Augen der Zuschauer wurden sie das große TV-Traumpaar der deutschen Promi-Szene.
Sarah und Pietro rührten Millionen von Herzen. Und das live im Fernsehen. Denn die Kamera und ihr Haus-und-Hof-Sender RTL2 begleiteten jeden Schritt.
Im März 2015 strahlte der Sender die Doku-Soap „Sarah & Pietro … bauen ein Haus“ aus. Im Juni ging es dann mit „Sarah und Pietro … bekommen ihr Baby“ weiter und im Frühjahr 2016 schließlich folgte „Sarah & Pietro mit dem Wohnmobil durch Italien“.
Das Paar trennte sich im Oktober darauf. Natürlich blieb das nicht ohne TV-Format. RTL2 zeigte im November des gleichen Jahres mit „Sarah & Pietro – Die ganze Wahrheit“ einen Rückblick auf die Beziehung und erläuterte die Hintergründe der Trennung.
Der bisherige Tiefpunkt im Trennungsdrama zwischen den beiden folgte ebenfalls Ende 2016. Auf YouTube kursiert ein Video, das einen hässlichen Streit des damaligen Noch-Ehepaares dokumentiert. Das Video hat mittlerweile über sechs Millionen Aufrufe. Aus einem Liebespaar wurde ein Skandalpaar. Und ganz Deutschland konnte zuschauen.
Frauen, Flirts, soziale Medien
Freitagnacht stand aber nicht der Skandal im Vordergrund, sondern die Musik. Die wenigen guten Nachrichten über Pietro Lombardi las man kürzlich tatsächlich über seine neue Single. Mit dem Rapper Kay One brachte er das Lied „Senorita“ heraus. Es geht um Frauen, soziale Medien, Flirts und Style. Eben genau das, was die junge Generation anzuziehen scheint, die Freitagnacht vor ihm stand und jubelte.
Doch nicht nur junge Leute verfallen dem 25-jährigen Sänger. „Pietro l'amore nostro“ heißt eine große Fanseite auf Facebook. Dahinter steht Elke B., 63 Jahre alt aus Nordrhein-Westfalen. „Pietro ist ein junger Mann, der sehr sympathisch ist. Er wirkt sehr bodenständig und kann sogar – was Wenige können – während er singt lächeln“, sagt Böwing.
Gelächelt und gesungen hat Lombardi Freitagnacht auch. Bei den Zuhörern kam das gemischt an. „Ich finde, singen kann er nicht. Aber trotzdem höre ich das Lied Senorita rauf und runter, hat halt Ohrwurmfaktor“, findet Melissa Esperanza aus Schweinfurt, die sich schon Tage vorher auf das Konzert in Sennfeld gefreut hat und am Ende leider verhindert war.
„Ich finde Pietro sehr sympathisch und kenne ihn nur aus dem TV. Ich finde es deshalb einfach interessant, jemanden Bekanntes einmal live zu sehen“, so die 26-Jährige weiter.
Stimmung ja, Konzert naja
Das Erfolgslied hörten die Fans (oder die, die einfach nur aus Neugierde dabei waren) im Pure-Club sogar zweimal. Ob es daran lag, dass Lombardi mehrere Textpatzer in seinem Auftritt hatte oder er das Lied selbst einfach so gut findet, dass er es bei einem dreißigminütigen Konzert nochmal präsentieren muss, bleibt wohl sein Geheimnis.
„Also, er hat schon Stimmung gemacht, es war toll ihn mal live zu sehen, aber ich habe mir mehr erhofft“, resümiert Studentin Lisa Pichler, die mit einer Freundin extra aus Würzburg angereist ist. „In der halben Stunde hat er nicht besonders viel abgeliefert“, meint sie weiter.
Um kurz nach eins war das Gastspiel auch schon vorbei. Unter großem Jubel verließ der junge Sänger die Bühne. Es bleibt die Frage, was diesen Mann so interessant macht, dass er Clubs bis an die Decke füllt? Seine Sympathie erreicht meist nur die junge Generation, singen können andere besser, und mit einer halbstündigen Bühnenshow macht man sich auch keinen Namen.
Aber Deutschland verfällt bei dem jungen Mann in eine Art Lombadi-Mania. In Sennfeld war es nicht anders. Lautes Kreischen und der Kampf um die besten Plätze hat gezeigt: Der Mann ist beliebt. Ein Phänomen eben.