Am Mittwochnachmittag begannen die Umbauarbeiten von St. Johannis zur Vesperkirche: einige Bänke raus, Teppich verlegen, Tische aufstellen. Am Sonntag um 10.30 Uhr geht es mit einem Gottesdienst los, zugleich der Start für Bayerns erste Vesperkirche.
Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Stellung, Arme und Wohlhabende, Arbeitslose und Berufstätige begegnen sich bis 8. Februar täglich von 11.30 bis 14.30 Uhr – auch samstags und sonntags. Sie essen gemeinsam zu Mittag, kommen beim Kaffeetrinken ins Gespräch, erleben ein „Miteinander für Leib und Seele“. Der Satz ist auch das Motto.
Miteinander für Leib und Seele
Die 180 Ehrenamtlichen, die sich gemeldet haben, haben drei Schulungen durchlaufen. Darin gab es unter anderem eine Hygienebelehrung. „Der Dienstplan steht“, sagt Diakon Norbert Holzheid vom evangelischen Dekanat. Er bildet mit Uwe Kraus (Leiter Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit/KASA) vom „Projektpartner“ Diakonie das Geschäftsführerteam. Beim Duo laufen alle Fäden zusammen, die zu ziehen man schon Anfang 2014 begann.
Bayerns Diakonie-Präsident Pfarrer Michael Bammessel spricht beim Auftakt-Gottesdienst am Sonntag, Beginn 10.30 Uhr. Dann geht's los mit der Vesperkirche. Alle Kirchenbesucher, die bei der Premiere mitmachen wollen, müssen an der Kasse einen Essensbon für 1,50 Euro lösen. „Da wird keiner ausgenommen“, stellt Holzheid klar. Wer gezahlt hat, wird vom „Personal“ auf seinen Platz geführt.
Der Speiseplan ist für jeden Tag klar, wird aber nicht veröffentlicht. Die Begegnung, das Miteinander steht im Mittelpunkt, nicht der „Schnitzeltag“, sagt Holzheid, der deshalb auch nicht verrät, was die Küche des Partners Leopoldina zum Auftakt kocht. Freilich: Es gibt jeden Tag eine vegetarische Alternative.
Aus dem Leiterkreis, dem neben Holzheid und Kraus noch Dekan Oliver Bruckmann, seine Frau Gisela, Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa und Helmtrud Hartmann (Diakonie) angehören, sind je zwei „Tagesverantwortliche“ vor Ort. Die täglich 40 Helfer treffen sich bereits um 10 Uhr zur „Morgenrunde“. Da werden die Namensschilder verteilt, jeder bekommt eine Schürze „Vesperkirche“, es wird eingeteilt, wer spült, wer Essen ausgibt, wer zu den Tischen führt. Um 14.45 Uhr ist die tägliche Schlussrunde, also „Dienstende“.
Für einige andere Freiwillige geht die Arbeit da erst los. Die täglich 50 Schürzen und 100 Geschirrtücher werden selbst gewaschen. Holzheid hat Kosten von 75 Euro allein fürs Waschen der Schürzen errechnet. Die billigere Lösung: Man hat eine Waschmaschine gekauft. Ehrenamtliche haben sich für diesen „Dienst“ bereit erklärt, inklusive Bügeln. Die Geschirrtücher landen in privaten Waschmaschinen. Freiwillige erledigen diesen Job drei Wochen lang. „Großartig“, sagt Holzheid nicht nur zu diesem Engagement.
Geschirr: Alles, was mit Mittagessen zu tun hat – täglich eine Vorspeise (Suppe oder Salat) und ein Hauptgericht – kommt inklusive Equipment von der Leo-Service GmbH. In der Krankenhaus-Küche wird also nicht nur gekocht, sondern Teller, Trinkgläser und Besteck gespült. Alles rund ums „Café“ ist „eigen organisiert“. Das heißt: Es gibt Teams, die Kaffee kochen und dieses Geschirr auch spülen (im Martin-Luther-Haus).
Die Kuchen – täglich 16 – werden gespendet. Viele Kuchenbäcker haben sich gemeldet. Sie wissen, wann sie „liefern“ müssen, wie etwa der Betriebsrat von FAG-Schaeffler, der die Kuchentheke an zwei Tagen bestückt.
Fehlen noch Ehrenamtliche? „Ja, punktuell, sagt Holzheid. Konkret und für ihn verblüffend fehlen Helfer an den Wochenenden. Die, die sich gemeldet haben, kommen aus allen Altersklassen, wenngleich die Rentner überwiegen. Es wird – was die „Arbeiten“ betrifft – durchgewechselt. Heißt: Wer heute spült, ist morgen Platzanweiser.
Neben dem Haupteingang links befindet sich die Informationsbörse. Die Sozialdienste präsentieren dort wechselweise ihre Angebote. Das Schmankerl ist das von KASA-Mitarbeiterinnen betreute Projekt „Gesichter der Vesperkirche“. Wer will, wird abgelichtet, sein Foto mit einer Sprechblase versehen, in der der Fotografierte seine Eindrücke notieren kann.
Spezielle Angebote
Im Herrenchor wird ein Bereich für spezielle Angebote abgetrennt: Mehrere Male kommen Frisöre, eine mobile Optikerin, eine Fußpflegerin. Dort sind auch Gespräche möglich. Seelsorgerische Gespräche, schwerpunktmäßig durch Pfarrer, werden in der Sakristei geführt.
In der Turmkapelle ist eine Spielecke für kleinere Kinder eingerichtet. Der „Gastraum“ in der Kirchenmitte umfasst rund 140 Sitzplätze. Wer gespeist hat, muss den Platz für die neuen Gäste räumen. Den Kaffee und Kuchen gibt es danach in einem separaten Bereich. Täglich um 13 Uhr wird innegehalten zum „Wort in der Mitte“. Das dauert drei Minuten, Ausführende sind Pfarrer, auch katholische, Dekan Stefan Redelberger etwa hat bereits zugesagt.
Wie viele Menschen zum Essen kommen, wissen Holzheid/Kraus nicht. Für den ersten Tag haben sie „gefühlsmäßig“ 200 Essen geordert. Wenn mehr kommen, ist die Leo-Küche gerüstet. Das Projekt kostet rund 90 000 Euro. Die Hälfte steuert für das erste Mal das Diakonische Werk Bayern und die evangelische Landeskirche bei. Rund 25 000 Euro fehlen nach Einschätzung von Bruckmann noch: „Das schaffen wir aber, da bin ich mir sicher“, bekräftigte er.