
Die Tat selbst wird nicht lange gedauert haben. Am 13. Juli letzten Jahres, gegen 23.30 Uhr, soll der 23-jährige Hamburger in einem Schweinfurter Wohnviertel einen 31-jährigen Schweinfurter aus einem Gebüsch kommend angegriffen haben. Nach einer unflätigen Beleidigung und kurzer verbaler Auseinandersetzung habe er diesem mit einem Klappmesser mehrere Stichverletzungen beigebracht, um ihn zu töten, so der Staatsanwalt vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt.
"Triumphlauf" um das Opfer
Laut Anklage verletzt der 23-jährige Asylbewerber aus Hamburg den 31-Jährigen mit Stichen am Bauch, in der Leiste und der linken Kniekehle. Der Stich im Kniebereich habe eine Arterie geöffnet, was zu schnellem hohem Blutverlust geführt habe. Das Opfer brach ohnmächtig zusammen. "Der Angeklagte umrundete den Geschädigten zweimal nach Art eines Triumphlaufs und verließ sodann den Tatort Richtung Hauptbahnhof", sagt der Staatsanwalt. Infolge des massiven Blutverlustes sei der 31-Jährige nur knapp dem Tod entkommen, und zwar allein deshalb, weil ein sofort herbei gerufener Notarzt die Blutung stillen konnte und eine Notoperation im Krankenhaus dem Mann das Leben rettete.
Das Tatmotiv ist für den Anklagevertreter klar: Der 23-Jährige habe schon seit Monaten mit der 28-jährigen Ehefrau des Opfers heimlich eine Beziehung geführt, von welcher der Ehemann erst kurz vor der Tat erfahren habe. Dessen tätlichen Angriff auf seine Frau einen Tag davor habe der 23-Jährige über die eingeschaltete Bluetooth-Funktion der Kopfhörer des Handys seiner Geliebten mitbekommen. Daraufhin habe er aus Eifersucht, und um den Ehemann für die Schläge gegen seine Frau zu bestrafen, beschlossen, diesen "aus dem Weg zu räumen" und zu töten, so die Anklage.
Messer aus Angst gezückt?
Am 13. Juli letzten Jahres sei der Mann mit dem Zug von Hamburg nach Schweinfurt gefahren, habe seinem Opfer vor dem Haus aufgelauert und mit den Messerstichen seinen Plan umsetzen wollen. Für den Anklagevertreter war die Messerattacke der Versuch, "aus niederen Beweggründen einen Menschen heimtückisch zu töten": versuchter Mord.
Der Angeklagte lässt seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen, wonach er nach Schweinfurt gefahren sei, um zu sehen, ob es seiner Geliebten, die tags zuvor vom Ehemann geschlagen worden war, gut gehe. Dies, obgleich sie mit ihm kurz zuvor Schluss gemacht, ihn im Nachrichtenportal gesperrt und die Handynummer gewechselt habe. Der 31-Jährige habe ihn im Streit angegriffen und auf den Kopf geschlagen. Da habe er Angst bekommen und ein kleines Klappmesser gezogen, das er seit seiner Flucht auf der Balkanroute bei sich trage. Bei der Abwehr von Fußtritten des 31-Jährigen sei es wohl zu den Stichverletzungen gekommen, die er nicht beabsichtigt habe und die ihm leid täten, verliest der Verteidiger für seinen Mandanten. Ein Drogenproblem habe er auch, schon als er noch im Heimatland war.
"Kein Blutdruck mehr"
Acht Zeugen hörten in der Tatnacht Schreie, einen Knall, laute Geräusche. Die Tat selbst beobachtete niemand, doch alle sahen das Opfer regungslos in einer "riesigen Blutlache" liegen. Einige erkannten auch, wie eine Person wegrannte. Mehrfach wurde sofort die Polizei gerufen, zum Glück für das Opfer. Der Notarzt berichtet als Zeuge, wie kritisch der Zustand des 31-Jährigen war: Kein Blutdruck mehr bei der Ankunft in der Klinik.
Als "absolut lebensgefährlich" bezeichnet die Sachverständige vom Institut für Rechtsmedizin der Uni Würzburg die Arterien- und Venenverletzung im Kniebereich des 31-Jährigen. Es sei ungewöhnlich, dass Messerstiche gegen das Knie ausgeführt würden, wo große Gefäße verliefen. Dafür brauche man anatomische Vorkenntnisse, die aber leicht zu erwerben seien. Und: Ohne sofortige Blutstillung vor Ort durch den Notarzt wäre das Opfer gestorben.
Zutaten dieses Dramas sind heimliche Liebe, Eifersucht, Familienehre. Der Nebenbuhler konnte den Noch-Ehemann seiner Geliebten – die Scheidung läuft – ausgerechnet in dem Moment fast umbringen, als dieser aus dem Auto einen Koran holte, auf den seine Ehefrau ihm schwören sollte, dass sie ihn nicht betrogen habe und nur ihn liebe. So sagt es der 31-Jährige. Sie sagt, sie habe auf den Koran schwören wollen, dass sie ihren Mann nicht mehr liebt.
Nicht nur die Gerichtsvorsitzende kann dieser Logik nicht folgen. Die Ehe sei seit langem schon am Ende gewesen, so die 28-Jährige. Der Prozess wird am 10. März fortgesetzt.