zurück
SCHWEINFURT
Verstrickt in ganz großen Gefühlen

Von unserem Redaktionsmitglied

Karl-Heinz Körblein

 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:53 Uhr

Erneut ganz große Gefühle zum Ende der Spielzeit und erneut ist es eine Inszenierung von Andreas Kriegenburg, die das Publikum zum Abschluss der Schauspielmiete im Schweinfurter Theater in ihren Bann zieht. Vor ziemlich genau einem Jahr gelang ihm das mit „Alles nur der Liebe wegen“, einem „Projekt“, ohne Vorlage, entstanden im Prozess der Inszenierung mit Schauspielern der Münchner Kammerspiele.

Jetzt nimmt sich Kriegenburg für das Schauspiel Frankfurt Goethes „Stella“ vor. Jenes reichlich konstruierte Stück um eine Dreiecksbeziehung, die sich nicht lösen lässt. Dabei entrümpelt er Goethe gründlich, konzentriert sich ganz auf die Liebe, die Gefühle, auf die Wirrungen, Verzweiflungen, die mit ihnen einhergehen.

Es hat schon begonnen, als die Zuschauer den Raum betreten. Vor einer mächtigen Bretterwand hängen fünf Figuren herum, blödeln, sprechen die Hereinkommenden an, äffen sie nach, wickeln sich um einen langen Schal, hantieren mit einem Schlauch, schlagen mit dem Kopf gegen die Wand, malen sich die Lippen rot an, umranden dunkel die Augen – eine viertel Stunde lang sinnfreies Hantieren oder vielleicht doch auch nicht. Das Ganze wird sich im Laufe des gerade einmal 90 Minuten langen Abends erschließen: Die Fünf auf der Bühne sind unentwirrbar miteinander verstrickt, niemand kann der Liebe entkommen.

Fast ohne Übergang setzt die Handlung ein. Fernando hatte Frau und Kind verlassen, mit Stella vorübergehend eine Beziehung und jetzt trifft man zufällig zusammen, nur oberflächlich vernarbte Wunden brechen auf, die Gefühle kehren zurück.

Dabei ist die Stella Valery Tscheplanowas die Romantikern pur, die Verlassene, weltabgewandt, auch wegen des Todes ihres Kindes im Schmerz versunken, eine langhaarige Schöne im rosigen Kleid. Cäcilie (Bettina Hoppe), Fernandos Ehefrau, ist da von einem anderen Kaliber, hat sich in ihrem Schmerz eingerichtet, bodenständig einen Schutzwall um sich errichtet, der sich jedoch als brüchig erweisen wird. Der Fernando Marco Oliver Schulzes verzweifelt an sich selbst, ist hin und hergerissen in seiner Rolle als Ehemann, Liebhaber und Vater, ein Opfer seiner Leidenschaft.

Das Ganze könnte furchtbar pathetisch werden, wären da nicht Mathis Reinhart als Verwalter, der verständnislos durch den Abend schlurft und schon einmal ein Bett umschmeißt. Und wäre da nicht die großartige Lisa Stiegler, deren 15-jährige Tochter Lucie dem Geschehen mit Distanz, Witz und ein bisschen Sarkasmus begegnet.

Kriegenburg hat sich für Goethes zur Entstehungszeit heftig umstrittene und zeitweise sogar verbotene erste Fassung des Endes entschieden. Es wird also nicht gestorben, sondern sich arrangiert. Sehr ergreifend wird dies in einer Schlüsselszene vorweggenommen. Fernando hält Stella im Arm und streichelt Cäcilie hinter seinem Rücken mit zärtlicher Hand.

Langer Applaus für eine mitreißende Inszenierung und fünf begeisternde Schauspieler.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Andreas Kriegenburg
Johann Wolfgang von Goethe
Münchner Kammerspiele
Schauspiel Frankfurt
Schauspieler
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top