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SCHWEINFURT
Vermesser haben in Schweinfurt viel zu tun
Klement Aringer, bis April 2017 Präsident des Bayerischen Landesamtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, steht auf dem Schweinfurter Rathausdach. Er sprach auf der Fachtagung der Gesellschaft für Geodäsie über den Einsatz von GPS und 3D-Druckern.
Foto: Julia Haug | Klement Aringer, bis April 2017 Präsident des Bayerischen Landesamtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, steht auf dem Schweinfurter Rathausdach.
Julia Haug
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:04 Uhr

Die Vermessung der Welt – darum drehte sich, einfach gesagt, eine Fachtagung in Schweinfurt vergangene Woche: Rund 100 Experten der Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, und des Landesvereins DVW Bayern, versammelten sich in der Stadt am Main. Klement Aringer, bis April 2017 Präsident des Bayerischen Landesamtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, sprach abseits des Programms über die neuen Techniken wie 3 D-Simulationen oder Drohnen und die Bedeutung traditioneller Feldgeschworener.

Frage: Herr Aringer, Ist Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ Ihr Lieblingsroman?

Klement Aringer: Den habe ich gelesen, ja: Er bringt unsere Arbeit sehr gut auf den Punkt und hat uns auch viel Popularität verschafft.

Im Vergleich zu Carl Friedrich Gauß, der in Kehlmanns Roman die Welt vermisst, haben Sie es dank Technik einfacher?

Aringer: Absolut ja. Früher hat man Richtungsmessungen gemacht zu Zielen, die 30 Kilometer weg waren. Man verständigte sich mit Lichtsignalen, weil es noch kein Handy gab. Oder man musste hinreiten, um zu schauen, was los ist. Die Vermessung der ersten 20 Kilometer langen Basislinie 1801 in München vor 200 Jahren hat fünf bis sechs Wochen gedauert. Heute machen wir so etwas in einer Stunde.

Inzwischen gibt es immer mehr digitale Hilfsmittel wie Laser, 3D-Scanner, GPS.

Aringer: Ich glaube, wir steuern auf eine neue Ära der Vermessung der Welt zu. Alles ist georeferenziert – vom Foto, das Sie schießen, bis zum Smartphone, das den Weg aufzeichnet. Außerdem gibt es im Luftraum bis 20 000 Kilometer immer mehr Satelliten, die punktgenaue Bestimmungen ermöglichen: Systeme der Russen, der Chinesen und ab Ende des Jahres auch das europäische System Galileo. Täglich werden Terrabytes von Daten heruntergesendet. Das ist eine neue Qualität an Bodenauflösung.

Auch Drohnen helfen Ihnen bei der Arbeit . . .

Aringer: Deutschlandweit sind ein paar Hunderttausend unterwegs, die privat betrieben werden, oder amtlicherseits. Wir testen momentan deren Einsatz: Sie sind sehr effektiv auf kleinen Gebieten. Früher musste man Material, das in eine Deponie gefüllt wurde, mit Tachymeter vermessen und begehen, um den Zuwachs der Massen festzustellen. Heute lässt man die Drohne darüberfliegen, die Luftbilder schießt. Anhand der digitalen Oberflächenmodelle kann man dann den Volumenzuwachs gegenüber der Vorwoche berechnen. Auch die Forstwirtschaft macht das, um zu sehen, wie viel der Wald gewachsen ist.

Mit welchem Blick gehen Sie durch eine Stadt wie Schweinfurt?

Aringer: Mit dem Blick auf die Architektur, und Räume beobachtend. Der große Marktplatz vor dem Rathaus fällt mir auf. Außerdem weiß ich, dass es in Schweinfurt ein Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung gibt, das für die amtlichen Aufgaben im Landkreis zuständig ist.

Ist Ihnen etwas an Schweinfurt positiv oder negativ aufgefallen?

Aringer: Positiv ist, dass so repräsentative Gebäude wie das Rathaus einzeln stehen. Wenn man sich das Museum Georg Schäfer anguckt, spürt man auch, dass die Transformation von einer Industriestadt in eine moderne Stadt gelungen ist. Da ist in den letzten zehn, 20 Jahren viel passiert.

Auch die Vermessung und das Monitoring von Tunneln oder Brücken gehört zum Spektrum von Geodäten. In Schweinfurt haben wir zurzeit eine folgenreiche Baustelle: Die Maxbrücke wird jetzt saniert. 2022 wird sie neu gebaut. Worauf kommt es an, beim Brückenbau?

Aringer: Da geht es um Millimeter. Brücken oder Tunneldurchschläge sind spannende Aufgaben von Geodäten. Voraus geht eine Bestandsaufnahme: Wo beginne ich mit der Brücke? Während der permanenten Begleitung werden Absenkungen oder Ähnliches festgestellt.

Ein weiteres Bauprojekt in Schweinfurt ist die Umgestaltung der ehemaligen US-Kaserne Ledward Barracks zu einem Stadtteil mit Einrichtungen für Forschung, Wissenschaft, Lehre, studentischem Wohnen und Freizeiteinrichtungen. Das Ganze durchzogen von einer Allee. Wo kommen hier Geodäten ins Spiel?

Aringer: Da gibt es mehrere Bereiche: Der erste kann sein, dass Eigentumsverhältnisse neu geregelt werden. Das Vermessungsamt begleitet Grundstückskäufe und -täusche. Soweit Flächen verändert werden, braucht es eine neue Vermessung. Zum Zweiten geht der Planung immer eine Bestandsaufnahme voraus, die man zum Beispiel mit Drohne machen kann. Die geplanten Gebäude und Alleen könnte man zum Dritten dann visualisieren, zum Beispiel in 3 D. Wir haben im Landesamt einen 3 D-Drucker, den wir Gemeinden schon zur Verfügung gestellt haben. Außerdem könnten Stadträte auf der grünen Wiese stehen und via Tablet in jeder Richtung, in die sie schauen, die geplante Bebauung sehen. Das nennt sich Augmented Reality, erweiterte Realität. Diese Technik bietet eine tolle Perspektive, auch für den Bürgerdialog.

Ist das schon angewendet?

Aringer: Wir haben Ähnliches zum Beispiel für die Landesgartenschau 2013 in Tirschenreuth gemacht. Dort wurde ein dreidimensionales Überflugvideo der Stadt gemacht, das alle geplanten Gebäude zeigt. Die Bürger konnten das Video im Internet anschauen und gegebenenfalls Einwendungen machen.

Vielleicht kommt das auch für eine mögliche Schweinfurter Bewerbung zur Landesgartenschau 2026 infrage.

Aringer: Zum Beispiel.

Eine uralte Tradition aus dem 13. Jahrhundert sind die Siebener und Feldgeschworenen. Sie sind seit 2016 im bayerischen Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes . Wie passt das noch in die zukunftsweisenden technischen Neuerungen, von denen Sie sprechen?

Aringer: Die Feldgeschworenen sind das älteste kommunale Ehrenamt Bayerns. Wir benötigen sie als Kontakt zu den Bürgern. Viele Leute wissen nicht mehr: Wo kann ich einen Grenzstein kaufen? Was brauche ich für eine Vermessung? Speziell in Franken ist das Feldgeschworenenwesen traditionell hochgehalten. Die amtliche Vermessung braucht Helfer. Vor 20 Jahren reduzierte man die Zahl der Leute in Vermessungstrupps von drei auf zwei, als dritte Person gibt es dann die Feldgeschworenen, die uns helfen, die Arbeit schneller, rationeller und preisgünstiger zu machen. Wenn Sie jemanden engagieren, kostet das 50 oder 60 Euro. Ein Feldgeschworener bekommt 15 oder 17 Euro, das legt der Landkreis fest.

Sind Feldgeschworene künftig auch digital ausgestattet?

Aringer: Einige Feldgeschworenen-Vereinigungen haben sich schon GPS-Empfänger angeschafft. Das Schweinfurter Vermessungsamt bietet entsprechende Fortbildungen an. Damit kann man Tradition und Moderne verbinden.

Geodäsie – Weltvermessung

Der Begriff Geodäsie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „Landaufteilung“. Moderne Geodäsie ist eine Ingenieurwissenschaft. Gegenstand sind die Vermessung und Visualisierung der Umwelt und die Analyse ihrer räumlichen und zeitlichen Veränderungen. Geodäten arbeiten interdisziplinär vor allem in den Bereichen „Technik & Industrie“, „Klima & Umwelt“, „Grund & Boden“ sowie „Navigation & Mobilität“.

Der Verband DVW Bayern e.V. ist Mittler zwischen Wissenschaft und Praxis des Vermessungs- und Liegenschaftswesens sowie der ländlichen Entwicklung. Quelle: DVW

 
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