Wie kommt man am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Norden des Landkreises in den Westen, wie am Sonntag von der Stadt zum Wandern nach Wasserlosen oder wie von Schwebheim zum Krankenbesuch ins Leo? Solchen Aufgaben stellt sich das Mobilitätskonzept, das der Landkreis entwickelt. Erstmals wird dabei genau und strukturiert untersucht, welche Verbindungen wann und wo gebraucht werden. Dazu sind die Bürger aufgerufen, ihre Vorstellungen einzubringen.
Realitätsnah, pragmatisch und nachfrageorientiert soll das Mobilitätskonzept sein. „Es wird kein Papiertiger werden“, versprach Landrat Florian Töpper, als er am Freitag im Landratsamt mit einer ganzen Schar Verantwortlicher das Projekt vorstellte. Weil Mobilität viel mehr ist als der ÖPNV, weil es im ländlichen Raum künftig auch alternative Verkehrsmöglichkeiten braucht, weil es aufgrund des demografischen Wandels zwar nicht erheblich weniger, aber immer mehr ältere Menschen gibt, müssen Lösungen gefunden werden.
Ziel ist, wie der ÖPNV-Beauftragte des Landkreises, Michael Graber, vorstellte, dass es ab 2020 ein attraktives Angebot gibt. So soll der Landkreis Schweinfurt dann Mitglied im Verkehrsverbund Mainfranken (VVM) sein, mit 7000 Quadratkilometer und einer Million Einwohner der drittgrößte Verkehrsverbund in Bayern.
Zusätzlich soll es eine moderne Nahverkehrsplanung, auch mit der Stadt Schweinfurt, mit sozialen, ökonomischen und Umweltzielen im ÖPNV geben. Die Mobilität in strukturschwachen Räumen soll bedarfsorientiert für Beruf, Alltag oder Freizeit von verschiedenen Akteuren gesichert werden, beispielsweise auch von Bürgerbussen oder Mitfahrnetzwerken. Dazu werden auch zukunftsweisende Formen wie E-Mobilität und Mobilitätsplattformen gefördert.
Damit auch die politischen Entscheider im Kreistag bei diesem Prozess stets involviert sind, formierte sich ein neuer ehrenamtlicher ÖPNV-Beirat mit den Mitgliedern Beate Glotzmann (CSU), Irmgard Krammer (Freie Wähler), Thomas Vizl (Grüne), Hans Fischer (SPD) und Norbert Sauer (FDP).
Ein strammes Programm hat sich das Landratsamt und die begleitende Firma kobra Nahverkehrsservice aus Kassel vorgenommen. Zunächst wird eine Bestandsaufnahme über das vorhandene Mobilitätsangebot erstellt. Dazu braucht es jede Menge Daten, etwa über die Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Ärzte, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten oder über Freizeiteinrichtungen.
Welche Verkehrsangebote es bereits gibt, von der Schiene über den Bus bis zu alternativen Formen, wird ebenfalls zusammengetragen. „Vieles funktioniert auf lokaler Ebene, ist aber nicht eingebunden in ein größeres Netz, erläuterte Graber.
Bereits am kommenden Montag, 23. Oktober, werde man mit der Fahrgastzählung beginnen, erläuterte der kobra-Projektleiter Dieter Stepner. Bis Januar 2018 soll die Bestandsaufnahme der Mobilitätsangebote stehen.
Um den Bedarf an öffentlichen Verkehrsmitteln zu eruieren, werden im März und April Haushaltsbefragungen im Landkreis durchgeführt. Darüber hinaus werden ab April/Mai Bürgerforen und Workshops veranstaltet, bei denen die Landkreisbürger ihre Vorstellungen einbringen sollen, forderte Landrat Töpper auf. „Es ist eine Chance, hier mitzugestalten.“
Befragt werden aber auch sogenannte Experten wie Verkehrsunternehmen, der ÖPNV-Beirat, die IHK, Firmen oder Seniorenvertreter.
In einer dritten Phase wird im Vergleich des Ist- mit dem Soll-Zustand das eigentliche Mobilitätskonzept erstellt. Dabei werden Planungsräume bestimmt, werden neben den Kosten auch die sozialen Komponenten und Umweltziele betrachtet. Welches Verkehrsangebot dann wo und wie nötig ist, wird dabei entschieden.
Wie man das Konzept umsetzen kann, soll ab Juni 2018 entwickelt werden. Es geht um organisatorische, technische und nicht zuletzt finanzielle Voraussetzungen, die nötig sind. Damit aber die ÖPNV- oder alternativen Mobilitätsangebote auch von der Bevölkerung wahrgenommen werden, sollen gezielte Marketingmaßnahmen je nach Zielgruppe und Raum erarbeitet werden.
Im November 2018 soll das Gutachten dann vorliegen. „Wir werden das Konzept pragmatisch angehen und es wird maßgeschneidert für die Region sein“, war sich Stepner sicher.
Gefördert wird die Erstellung des Mobilitätskonzepts mit 87180 Euro aus europäischen Leader-Mitteln. Weil es ein „vorbildliches Projekt“ ist und ganz dem Kern der europäischen Leader-Förderung entspricht nach dem Motto „Bürger gestalten ihre Heimat“, erklärte Unterfrankens Leader-Koordinator Wolfgang Fuchs bei der Übergabe des Förderbescheids.
Dass für die Umsetzung des Konzepts weitere öffentliche Mittel nötig sein werden, unterstrich Töpper. „Mobilität im ländlichen Raum muss künftig anders gestaltet werden“, meinte Landrat Töpper und verwies auf den Verkehrsverbund. Aus München gebe es auch Signale für einen Ausgleich für den Tarifübergang.