Im Zivilverfahren am Landgericht Schweinfurt zwischen der Postbaugenossenschaft als Kläger und ihrem früheren Vorstand Berthold K. als Beklagter ist es wie beim Wetter, wenn durch einen plötzlichen Umschwung der Schnee wegschmilzt. Der mittlerweile 85-Jährige, der 1971 Vorstand wurde und im Juni 2008 mit seinem freiwilligen Abschied einem Rauswurf zuvorkam, war von der Genossenschaft anfangs auf rund 360 000 Euro Schadensersatz verklagt worden.
Nach Hinweisen des Gerichts auf fehlende Schlüssigkeit des behaupteten Gesamtschadens, erfolgte vor geraumer Zeit eine Teil-Rücknahme der Klage auf noch um die 300 000 Euro. Nach der letzten Runde Ende Januar ist der Schneeberg, um im Bild zu bleiben, auf eine allenfalls noch fünfstellige Summe geschmolzen. Auch ein Vergleich, der anfangs undenkbar war, scheint nun nicht mehr ausgeschlossen.
Auslöser war ein Sonderprüfungsbericht Mitte 2008, in dem auf mögliche Verstöße gegen das Kreditwesengesetz durch die Genossenschaftsverantwortlichen hingewiesen wurde. Die Ermittlungen wurden auf Betrug, Untreue und Urkundenfälschung ausgedehnt. Die Vorwürfe sprachen sich herum, viele verunsicherte Postgenossen forderten ihre gezeichneten Darlehen und Geschäftsanteile in Millionenhöhe mit unterschiedlichem Erfolg zurück.
Die Ermittlungen, vor allem der Kripo Schweinfurt, gegen die Verantwortlichen sind abgeschlossen. Gegen Berthold K. ist Anklage erhoben wegen Verstöße gegen das Kreditwesengesetz und Untreue. Die Schadenshöhe liegt im Strafprozess bei der Summe des Zivilverfahrens an dessen Anfang. Der Strafprozess vor einer Wirtschaftsstrafkammer in Würzburg ist aber vorerst ausgesetzt. Man wartet auf das Ende im Zivilverfahren in Schweinfurt.
Sechs Prozent Rendite
Der Kernvorwurf – auch in Verfahren gegen weitere Verantwortliche der Genossenschaft – ist, dass die Darlehen und Geschäftsanteile bei einer Rendite von stattlichen sechs Prozent gar nicht hätten ausgereicht werden dürfen, weil es für dieses Bankgeschäft keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gab.
Eines der Kernprobleme ist die allen Verantwortlichen bekannte, eigentümliche Buchführung oder besser das, was man bei der Postgenossenschaft über Jahrzehnte hinweg eine solche nannte. Die meisten Anleger überwiesen ihre Einlagen nämlich nicht, sondern trugen ihr Geld meist an den Wochenenden – Bankschalter waren da geschlossen – bar zum Schelmsrasen. Ex-Vorstandsvorsitzender K. nahm die Beträge in der Geschäftsstelle entgegen und vermerkte die Bareinnahme in eine „gelbe Kartenkartei“. Die Bargelder wanderten in der Regel in die Schublade seines Schreibtisches, wurden wegen offensichtlicher Liquiditätsengpässe der Genossenschaft aber auch zur Begleichung von Verbindlichkeiten verwendet.
Ende 2007 nun waren bilanzielle Privatdarlehen von um die 2,3 Millionen Euro vermerkt. Beim Showdown machte die Summe der Darlehen – laut gelber Kartei – aber 2,6 Millionen Euro aus. Es fehlte also rein buchhalterisch dieser sechsstellige Betrag. Der ist nun zumindest im laufenden Zivilverfahren zusehends geschmolzen, weil in der Klage der Postbau Summen vermerkt sind, die K. gar nicht anzulasten sind.
Eine Ursache dafür könnte auch die Anfang 2008 erfolgte Umstellung der Buchhaltung auf EDV sein, an der die Postbaugenossenschaft ihren Ex-Vorstand K. gar nicht mehr beteiligte. Das bestätigte sich bei der jüngsten Runde im Landgericht.
Ein Anleger hatte eingezahlte 10 000 Euro zurückgefordert. Er erhielt das Geld auch von K. zurück. Und zwar im Jahr 2008, als schon auf EDV umgestellt war. Deshalb habe er die neu installierte Geschäftsführerin über die Rückzahlung nicht nur informiert, sondern sie habe auch einen Beleg über die Summe ausgestellt, berichtete K. im aktuellen Prozess. Den Beleg habe er der Geschäftsführerin nach Auszahlung der Summe mit der Unterschrift des Anlegers auch wieder zurückgegeben.
Auffälligkeit
Die Geschäftsführerin musste das bestätigen. Zu fragen ist, warum von der Postbau eingesetzte externe Berater diese Auffälligkeit bei ihren Prüfungen nicht bemerkt haben.
Heikelster Fall ist der einer Anlegerin aus Schweinfurt, die in der Verhandlung Ende Januar 2013 einmal mehr als Zeugin gehört wurde. Auch sie hatte in mehreren Wellen 50 000 Euro bei K. in bar vorbeigebracht. Der Zinsen wegen, räumte die 70-Jährige ein. Weil sie das Geld für ihren Sohn wieder benötigte, bat sie K. um Auszahlung. Die Summe gab er – noch im Oktober 2007 – in bar wieder zurück, bestätigte die Seniorin dem Gericht. Von weiteren, angeblich an die Anlegerin ausgezahlten 50 000 Euro wusste die Frau nichts.
Im Gegenteil, brach sie eine Lanze für den beklagten K.: „Ich hatte nie ein Problem mit ihm, ich habe immer meine Bescheinigungen und auch meine Zinsen bekommen, es hat immer alles gestimmt.“
Vergleich
Trotz der bisher harten Auseinandersetzung scheint nun die Anregung der Vorsitzenden auf einen Vergleich denkbar. Nach Auffassung des Anwalts von K. sind allenfalls noch 40 000 Euro offensichtlich nicht dokumentiert, was aber nicht heißt, dass sein Mandant sie veruntreut hat, erklärte er. Das wiederum hat auch damit zu tun, dass mit Anleger-Geldern eben auch Handwerkerrechnungen bezahlt wurden, „mit dem Wissen der anderen Vorstände und Aufsichtsräte“, sagte der Anwalt von Berthold K.. Ein Aufeinanderzugehen signalisierte auch der Anwalt der Postbaugenossenschaft, als er der Bitte des Gerichts entsprach, K. und seinem Anwalt nun Einblick in die Buchhaltungsunterlagen zu gewähren. Er nannte 90 000 Euro als denkbare Vergleichssumme, wobei darin die angeblich noch verschwundenen 50 000 Euro enthalten sind. Den Beweis, wohin das Geld gegangen ist, müsse die Postbau beweisen, sagte die Vorsitzende.