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SCHWEINFURT
Vergewaltigungsversuch oder Racheakt?
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:39 Uhr

Erste Augusthälfte 2014: Zwei Mädchen, 13 und 14 Jahre jung, besuchen einen damals 18-Jährigen zu Hause in der Kleinstadt in der Rhön. Sturmfreie Bude, seine Eltern sind in Urlaub – ideale Bedingungen zum Feiern. Neben dem 18-Jährigen sind zwei weitere Jungs aus der Nachbarschaft im Alter von 16 und 18 Jahren dabei. „Saufspiele“ werden gemacht. Irgendwann ist die 13-Jährige so betrunken, dass sie sich übergeben muss. Sie wird ins Bett in einem Gäste- und Hobbyraum im Keller gebracht, wo sie sich vom Rausch erholen soll.

„Es wird dir eh keiner helfen“

In der Nacht dann soll sich der 18-Jährige aus der Nachbarschaft in den Kellerraum begeben, auf die betrunkene 13-Jährige gesetzt, sie großteils entkleidet und versucht haben, den Oralverkehr zu erzwingen. Er soll dazu ihre Hände festgehalten haben. Sie hat sich nach ihrer Aussage heftig gewehrt und auch um Hilfe gerufen, worauf er geantwortet haben soll: „Hör auf zu schreien, es wird dir eh keiner helfen.“

Der 13-Jährigen wurde aber geholfen. Der „Gastgeber“ selbst soll, als er nachts im Garten die Glut in der Feuerschale löschen wollte, die Hilfeschreie gehört. Er sei sofort zum Kellerraum gerannt, habe verlangt, dass die verschlossene Tür geöffnet wird. Als sein gleichaltriger Gast dem nicht nachgeklommen sei, habe er die einfache Holztür eingetreten, die 13-Jährige von ihrem Peiniger befreit und zu ihrer 14-jährigen Freundin in sein Zimmer im Erdgeschoss gebracht. Er selbst habe dann mit dem übergriffigen Kumpel im Kellerraum übernachtet. Dieser muss sich nun vor dem Schweinfurter Schöffengericht wegen versuchter Vergewaltigung und Körperverletzung verantworten. Aber stimmen die Vorwürfe?

Angeklagter: „War schon zu Hause“

Der Angeklagte streitet den Vergewaltigungsversuch kategorisch ab. Er sei zu der angeblichen Tatzeit in dieser Nacht schon zu Hause gewesen. Die Beschuldigung sei wohl ein „Racheakt“ des – längst ehemaligen – Kumpels und der 13-Jährigen. Dem Kumpel habe er damals viel Geld geschuldet und aus dem Haus seines Vaters einen Tresor geklaut. Und: Das angebliche Opfer habe ihn verdächtigt, damals Nacktbilder von ihr vom Handy des Kumpels, mit dem sie eine zeitlang zusammen gewesen sei, weitergeleitet zu haben. Da stimme aber nicht.

Tatsächlich wurde der mutmaßliche Vergewaltigungsversuch den Ermittlungsbehörden aber erst mit gut zweijähriger Verspätung bekannt – im Oktober 2016. Nach der Tat habe die junge Frau zwar ihrer Freundin und ihrer Mutter davon berichtet – den Vorfall aber lieber verdrängen und keine Anzeige erstatten wollen. „Gegen ihren Willen wollte ich auch nichts machen“, sagt die Mutter als Zeugin.

Zwei Jahre warten für Falschaussage?

Eine schwierige Beweislage: Die Tat liegt vier Jahre zurück, darunter leidet die Erinnerung – und zusätzlich unter der damaligen erheblichen Alkoholisierung des Opfers wie des Gastgebers, der laut Anklage dem Mädchen zu Hilfe geeilt ist. Zusätzlich unterstellt der Angeklagte beiden Rache als Motiv für eine Falschbehauptung – wobei sich der Vorsitzende Richter fragt, wieso sie damit zwei Jahre hätten warten und sich dann eine solche Geschichte hätten ausdenken sollen. Auch die Aussagen der damaligen Freundin und der Mutter sprechen gegen diese Interpretation.

Nach viereinhalbstündiger Verhandlung stellt der Verteidiger weitere Beweisanträge. Unter anderem beantragt er ein Gutachten, das ergeben soll, dass der Vergewaltigungsversuch nicht so abgelaufen sein könne, wie vom mutmaßlichen Opfer geschildert. Innerhalb von drei Wochen ist das nicht realistisch. Der Prozess wird ausgesetzt und wohl erst im Herbst von vorne beginnen. Und: Den Haftbefehl gegen den Angeklagten, der seit einem halben Jahr in U-Haft sitzt, setzte das Gericht gegen Meldeauflagen außer Vollzug.

 
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