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Schweinfurt
Verfolgungsjagd vor Gericht: Mann erinnert sich angeblich nicht
Ein 50-Jähriger flieht mit dem Auto aus einer Polizeikontrolle. An die Fahrt kann er sich nicht erinnern - die fünf befragten Polizisten schon. Wie urteilt das Gericht?
Verfolgungsjagd vor Gericht: Mann erinnert sich angeblich nicht
Foto: Patty Varasano
Lara Wantia
Lara Wantia
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:19 Uhr

Es ist der 23. Januar 2018, kurz nach zwölf Uhr. Ein 50-Jähriger aus dem Landkreis Schweinfurt fährt mit seinem Auto durch die Roßbrunnstraße - und landet in einer Polizeikontrolle. 30 Kilometer pro Stunde sind erlaubt, er ist mit über 20 Stundenkilometern mehr unterwegs. Während er sein Verwarnungsgeld zahlt, bemerken die Polizisten "drogentypische Auffälligkeiten", heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Demnach soll der Mann Cannabis und Tramadol konsumiert haben. Ihm soll Blut abgenommen werden, er setzt sich aber in sein Auto und will wegfahren.

Einer der Beamten öffnet die Fahrertür und stellt sich in die Öffnung. Der Fahrer schließt die Tür, sodass der Polizist ausweichen muss. Der zweite Beamte stellt sich vor das Auto. Der 50-Jährige gibt Gas, fährt mit durchdrehenden Reifen auf den Polizisten zu und flieht. Er missachtet Vorfahrtsregeln, fährt zu schnell und weicht auf die entgegengesetzte Spur aus. Auf der Luitpoldstraße rast er über eine rote Ampel. In allen Fällen müssen andere Autofahrer stark bremsen. Mit etwa 100 Stundenkilometern fährt der Mann Richtung Hauptbahnhof und schließlich auf die Autobahn 70.

Eine gute Stunde später taucht der Angeklagte zu Fuß an seinem Haus auf. Zwei weitere Polizisten sind bereits da, der Mann rennt davon. Die Polizisten verfolgen ihn und drücken ihn auf den Boden. Gegen die Fesseln wehrt er sich. So weit die Anklage der Staatsanwaltschaft. Vor Gericht muss sich der 50-Jährige wegen vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und vorsätzlicher Verkehrsgefährdung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verantworten.

In den 90er-Jahren ist der Angeklagte heroinabhängig

Der Angeklagte gesteht die Vorwürfe - so weit er sich erinnern kann. Als ihn die Polizisten  zur Blutentnahme aufforderten, seien ihm "die Sicherungen durchgegangen". Dreimal pro Woche werde er kontrolliert. Vor seinen Kindern müsse er Drogentests machen. "Im Ausland werde ich nie angehalten. Hier können 100 Leute unterwegs sein. Die halten nur mich an", sagt er. "Das ist erniedrigend." Er habe entgegnet: "Ich mache jetzt gar nichts mehr, ich habe lange genug hier gestanden." Aus Angst, dass die Polizisten ihn einsperren, sei er davongefahren. "Das ist der Fluchtinstinkt, dass man einfach weg will", sagt er. Danach wisse er nichts mehr.

Heute sei er froh, dass er niemanden verletzt habe. "Mir war nicht bewusst, wie viel ich drin habe." Wegen einer gerissenen Sehne nehme er Tramadol gegen die Schmerzen. In den 90er-Jahren sei er schwer heroinabhängig gewesen. "Ich war suchtkrank im höchsten Grade." Daraus sei eine "tiefe Psychose" entstanden, der 50-Jährige machte eine Therapie. Nach der Fahrt über die Autobahn habe er sein Auto versteckt und seine Frau angerufen. "Da wurde mir klar, dass ich mich der Sache stellen muss." Dass er sich bei der Festnahme gewehrt habe, bestreitet der Angeklagte. "Ich habe mich ergeben, Hände hoch, und bin stehen geblieben", sagt er und hebt die Arme wie zum Beweis.

Die Polizisten, die den Mann kontrolliert, verfolgt und festgenommen haben, sprechen von den gefährlichen Situationen vor und während der Fahrt. "Wenn ich nicht rechtzeitig zwei, drei Schritte zur Seite gemacht hätte, hätte er mich erwischt", sagt der Polizist, der sich vor das Auto stellte. Es seien ein "großer Zufall" und "Glück" gewesen, dass kein Unfall passiert sei, so die Aussagen der Beamten. Der "rege Fußgängerverkehr" in einer Straße habe ihn nicht davon abgehalten, "mit Vollgas um die Kurven zu fahren", auf der Autobahn habe er über den Standstreifen überholt.

Staatsanwalt: Fahrverhalten "höchst gefährlich"

Eine weitere Zeugin gab an, dass der Mann von hinten auf sie zugefahren sei, ohne zu bremsen. "Ich dachte: Entweder, der fährt mir hinten drauf oder über die Verkehrsinsel in den Gegenverkehr", erinnert sie sich. Ein Gutachten bestätigt, dass der Angeklagte vor der Fahrt THC, Tramadol und Cannabis konsumiert hatte. Sein Vorstrafenregister hat einen Eintrag von Januar 2018, als er ein Rezept fälschte, um ein Medikament zu bekommen. Im Fahreignungsregister sind vier Geschwindigkeitsüberschreitungen und ein Abstandsverstoß verzeichnet, für die der Angeklagte Geldstrafen und Punkte bekam.

Der Staatsanwalt berücksichtigt die Vorstrafen zu Lasten des Angeklagten, zu seinen Gunsten sein Geständnis. Sein Fahrverhalten sei "höchst gefährlich", die Gefahr für andere jedoch keine konkrete gewesen. Er plädierte für eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung mit einer Frist von drei Jahren. In der Zeit soll der Angeklagte ein Drogenverbot und ein Jahr lang einen Bewährungshelfer bekommen. Zudem forderte der Staatsanwalt ein einmonatiges Fahrverbot und eine Sperrfrist für den Führerschein von drei Monaten.

Der 50-Jährige sei schockiert, was während der Fahrt passiert sei. Seit Weihnachten sei er "drogenfrei" und bemühe sich, es zu bleiben. "Es hat mich selbst am meisten zurück geworfen", sagt er. Der Richter attestiert dem Angeklagten, dass er "unzählige Menschen gefährdet" habe und im Straßenverkehr "kein Musterschüler" sei. "Wer so durch die Stadt heizt, der nimmt in Kauf, dass Unfälle passieren." Zu seinen Gunsten führt er die Offenheit des Angeklagten an. Er verurteilt den Mann zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung mit einer zweijährigen Frist und der Aufsicht durch einen Bewährungshelfer. Dazu kommen ein einjähriges Verbot des Drogenkonsums sowie der Entzug des Führerscheins mit einer Sperrfrist von sechs Monaten. Zudem darf der Angeklagte einen Monat lang kein Kraftfahrzeug führen, muss eine Geldauflage von 1500 Euro zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.

 
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Hier wäre ein lebenslanger Führerscheinentzug angemessen!!!
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