Die Chance, in absehbarer Zeit noch Beweise für das Verwenden unrichtiger Gesundheitszeugnisse durch den Angeklagten erheben zu können, ist am Montagmittag sehr klein geworden. Das Landgericht Schweinfurt hatte für den Fortsetzungstermin drei Zeugen geladen, die alle nicht erschienen. Ein Arzt weilte im Auslandsurlaub, zwei weitere Zeugen waren nicht erreichbar. Deren Aussagen hätten die Frage klären sollen, ob der 38-jährige Verkäufer aus dem Landkreis Bad Kissingen im Dezember 2020 sowie im April und Juli 2021 derart unter Atemwegsbeschwerden litt, dass ihm das Tragen einer Maske zum Infektionsschutz aus medizinischen Gründen nicht zugemutet werden konnte.
Genau das hatte ihm nämlich mit einem Fernattest eine Ärztin aus Weinheim in Baden bescheinigt, die ihn nie zuvor untersucht hatte. Diese Bescheinigung legte der Angeklagte als Veranstalter von drei Aufzügen der "Corona-Rebellen Bad Kissingen" Polizisten vor, die ihn damals auf die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aufmerksam machten. Ein viertes Mal erschien er mit dem Fernattest gar als Zeuge vor Gericht.
Bestanden Atemprobleme?
Alldem folgte eine Anklage wegen des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse in vier Fällen. Das Amtsgericht Bad Kissingen sah den Vorwurf als erwiesen an und verurteilte den 38-jährigen "Corona-Rebell" im Dezember 2021 zu einer Geldstrafe von 4800 Euro. Dagegen legte er Berufung ein, die nun verhandelt wurde – aber unter anderen Vorzeichen als im Dezember, als das Amtsgerichtsurteil gesprochen wurde.
In der Zwischenzeit hatte das Bayerische Oberste Landesgericht eine Entscheidung gefällt, die maskenkritischen Verwendern von ärztlichen Ferndiagnosen entgegenkommt. Demnach ist ein Befreiungsattest nicht schon deshalb falsch und strafbar, weil diesem nur telefonische oder E-Mail-Schilderungen zugrunde liegen, aber keine körperliche Untersuchung. Zu prüfen sei, ob zum entsprechenden Zeitpunkt die Atemprobleme tatsächlich bestanden hätten.
Drei Befreiungen per Post
Der Angeklagte machte vor dem Berufungsgericht Asthma-Beschwerden geltend, die er der Ärztin aus Baden-Württemberg per E-Mail geschildert habe, worauf diese ihm das Attest per Post zugeschickt habe. Freimütig gab er zu, dass die Medizinerin mit zwei weiteren Testaten wortgleich auch seine Frau und seinen Sohn vom Maskentragen befreit habe. Gesamtkosten: 15 Euro. Derzeit habe er keine Atembeschwerden mehr.
Um zu einer Verurteilung zu kommen, "müssen wir positiv überzeugt sein, dass er falsche Angaben gemacht hat", so der Vorsitzende am ersten Verhandlungstag. Nur wenn das Attest objektiv unrichtig wäre, könne der Verwender bestraft werden. Ob man dazu komme, sei fraglich. Das ist es weiterhin, nachdem alle denkbaren Zeugen ausgeblieben sind. Weil aber den "Corona-Rebell" bereits am 26. Oktober vor dem Schöffengericht Gemünden ein neuer Prozess erwartet mit – für den Fall der Verurteilung – ganz anderen Straferwartungen, fällt es dem Staatsanwalt leichter, einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens zuzustimmen.
"Corona-Rebell" kontra ICE?
In Gemünden muss sich der 38-jährige Familienvater demnächst wegen "vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr zur Herbeiführung eines Unfalls" verantworten. Er soll zusammen mit einer Frau am Dreikönigstag 2021 an einem Lattengestell Plakate über der Bahnstrecke Gemünden-Waigolshausen angebracht haben, die einen ICE zur Notbremsung veranlassten.