"Abstand halten" ist ein Gebot, das kleine und große Drachenlenker seit Urzeiten kennen, und in der Regel gerne einhalten. Bekannte Ausnahme ist das "Drachenspiel", ein Hobby vieler Afghanen, bei dem die Zugleinen der anderen Teilnehmer mit der eigenen, glasscherbenbestückten Leine gekappt werden müssen – im Roman "Drachenläufer" von Khaled Hosseini ist die nationale Leidenschaft fast schon ein Symbol für die turbulente Landesgeschichte.
Ganz so wild und kämpferisch wie am Hindukusch ging es beim Aero Club Schweinfurt nicht zu, beim Drachenfest 2021. Auf der coronakonformen Tausend-Meter-Startbahn des Fliegervereins war reichlich Platz für alle. Wo normalerweise Segelflieger mit Motorwinde oder im Schleppflug nach oben gebracht werden, durfte nun von Eltern mit ihren Kindern gerannt und manch buntes Fluggerät in Richtung der Herbstwolken gelenkt werden.
Am Nachmittag herrschte doch einiger Andrang, beim Versuch, den Propeller des Vereinslebens neu anzuwerfen – nachdem das Hallenfest zu Himmelfahrt bereits zweimal hintereinander ausgefallen ist. Die Freiheit über den Wolken wird von den Piloten auch wieder genossen. Beim Drachenfest war am Eingang ein "Check-in" fast wie am großen Airport angesagt, mit Anwesenheitsliste oder gescanntem Impfnachweis.
"Es soll sympathische Eigenwerbung sein", sagt Wieland Jakob, der erst vor wenigen Monaten neu gewählte Vereinsvorsitzende. Am Ende ist er mit den Besucherzahlen beim Familienfest zufrieden, das kleiner daherkommt als vor den Lockdowns, aber dafür ruhig und beschaulich über die Bühne geht. Nachwuchs-Mitglieder beim traditionsreichen Verein mit etwa 60 Aktiven seien jederzeit willkommen, betont Jakob: "Ab 13 Jahren darf man fliegen."
Entspannung nach dem Wahlkampf war auch in der Politik angesagt, am "Tag der Deutschen Einheit": Gochsheims Bürgermeister Manuel Kneuer schaute ebenfalls vorbei, zusammen mit den Parteikollegen Stefan Funk und Anja Weisgerber, um gänzlich unpolitische Farbenspiele am Himmel zu beobachten.
Geht es nach Wieland Jakob, haben die Flieger ab sofort nur noch mit Wind- statt ähnlich unberechenbaren Corona-Wellen zu kämpfen: "Wir versuchen 2022, wieder mal das Hallenfest anzugehen."