Josef Bernard ist Naturschutzwächter und kein schwarzer Sheriff. Er beobachtet die Natur und notiert jede Besonderheit. Dass er Spaziergänger auf die gebotenen Wege zurückschickt und Grillfeste im Naturschutzgebiet beendet, gehört auch zu seinen Aufgaben – "auch und zu den weniger schönen".
Verabredet ist die Redaktion an diesem 24. April, ein Mittwoch, mit dem Naturschutzwächter um 10 Uhr auf dem Parkplatz mit dem Wetterschutzhäuschen am Unkenbach gleich neben der Ortsverbindungsstraße von Grettstadt nach Schwebheim. Das sich anschließende Riedholz mit dem Auwald ist ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, die benachbarte Pfeifengraswiese eines aus der Steinzeit, sagt Bernard, der die Ausmaße des Biotopverbunds erklärt, der unter Federführung der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt über viele Jahre hinweg und "mit viel Energie" entstanden ist.
Der Unkenbach ist das verbindende Glied zwischen dem Naturschutzgebiet Sulzheimer Gipshügel, dem Riedholz, dem Naturschutzgebiet Elmuß bei Heidenfeld, dem Vogelschutzgebiet Garstadt und dem Garstadter Holz am Main. Gleich neben dem Parkplatz am Riedholz ist eine Wassermessstelle, eine von zehn in diesem Schutzgebiet, die der Natuschutzwächter alle zwei Wochen kontrolliert. Gleich daneben wächst eine mächtige Schwarzerle, die mit den Wurzeln im Unkenbach steht.
Bernard verweist auf die vielen Frühblüher, die sich unter dem Laubholz jetzt beeilen müssen. Sobald das Blätterdach im Auwald geschlossen ist, bekommen die Bodenpflanzen keine Sonne mehr und sammeln Kraft in den Wurzeln und sonstigen Speicherorganen für das kommende Jahr. Bernard schaut nach dem Spitzwegerich und dem Löwenzahn, nach dem Mittleren und dem Breiten Wegerich, nach Wiesen- und Hoher-Schlüsselblume, Knoblauchsraute, Giersch und nach dem Hopfen, der am Waldrand klettert.
Die Stauhaltung sorgt hier dafür, dass das Wasser des Unkenbachs nicht zu schnell aus der Aue fließt. Denn dort brauchen viele Pflanzen viel Wasser. Dazu zählt auch eine vor Jahren umgefallene Weide. Aus dem Stamm sind allerhand Sprieße gewachsen. Das Totholz des Methusalems ist zum Insektenhotel mutiert.
Im Naturwaldreservat wachsen Windröschen und der giftige Aronstab, der vielblütige Weißwurz und der Bärlauch, Maiglöckchen, Bengelkraut und die Herbstzeitlose. Nur letztere blüht nicht jetzt, sondern erst im Herbst. Bei den Bäumen fällt der Stockausschlag auf und bei den Birken, dass die Äste nicht hängen, sondern nach oben wachsen. "Das ist die Moorbirke, nicht die Sandbirke", erklärt der Naturschutzwächter.
Beim Übergang vom Wald zur Fettwiese sind noch die blau bis purpurrot blühende Frühlings-Platterbse, das Fingerkraut und der Storchenschnabel zu sehen. Für die bunte Pflanzenwelt auf engsten Raum sind stark unterschiedlichen Standorte verantwortlich, sagt Bernard. Bei den Bodenschichten wechseln sich Unterer und Mittlerer Keuper, Grenzdolomit, Gips, und Flugsand im Riedholz ab.
Von der naturnah bewirtschafteten Wiese geht der Blick zurück zum stufigen und buschigen Waldrand (Weißdorn, Hollunder, Silberpappeln). Auf dem feuchten Untergrund stehen jetzt Wasserhahnenfuß, Wolfsmilch, die Wiesen-Platterbse und der knollige Steinbrech. Gleich nebenan schwirren massenhaft Insekten über einer Hochstaudenflur. Der Arbeitskreis Arten- und Naturschutz Schwebheim sorgt auf der nicht gemähten Fläche in jedem Winter dafür, dass das Land nicht verbuscht und nicht heimische Pflanzen entfernt werden. Dieses Paradies für Bodenbrüter ist ansonsten nicht zu betreten und in Bayern einzigartig.
Ein paar Schritte weiter zeigt sich auf Flugsand eine andere Vegetation mit Enziansorten, dem kriechenden Fingerkraut und dem seltenen Bach-Nelkenwurz. Bernard spricht jetzt gar von einer "Senstation" auf der Trockenwiese.
Wieder im Auwald erklärt der Naturschutzwächter, dass Wege angelegt sind, die bei der Märzenbecher- und bei der Frauenschuh-Blüte zu den besten Standorten führen. Diese Wege seien nicht zu verlassen, weil ansonsten die Pflanzenwelt zertrampelt werde. Besucher seien willkommen, doch an die Regeln müsse sich jeder halten. Dem Wunsch, mehr Parkplätze oder gar einen Spielplatz anzulegen, habe das Landratsamt nicht nachgegeben – und so die Ziele des Naturschutzes auch nicht auf den Kopf gestellt, so Bernard.
Der Unkenbach ist nicht nur beim Verlassen, sondern auch beim Zulauf in das Riedholz gestaut. Gefüllt wird so ein Graben, der die Aue zumindest im Winter unter Wasser setzen soll, was im letzten Winter nicht gelang. Die Gummistiefel konnte Bernard in den vergangenen Wochen daheim lassen. Trotzdem: Mitten im Naturwaldreservat fühlt man sich wie im Dschungel und sieht, wie einst die Ufer an den Bächen und Flüssen bewachsen waren.
Angekommen an der feucht bis wechselfeuchten Pfeifengraswiese verweist Bernard auf eine meteorologische Besonderheit der gesamten Gegend. Hier würden sich das atlantische und das kontinentale Klima treffen und für eine außerordentliche Artenvielfalt sorgen. Zusätzlich biete die wegen der Dolinen landwirtschaftlich nie genutzte Wiese Relikte aus der Steinzeit. Auf der Wiese (mit Wegegebot) wachsen Mehlprimel, Steppengreiskraut, Fliegenragwurz, Knabenkräuter, die Sibirische Iris, Trollblume, Teufelsabbiss, Enziane und vieles mehr. Wer hier im Naturschutzgebiet seine Hunde laufen lässt, wer sich an die Gebote nicht hält oder gar seinem Freizeitsport nachgeht, dem zeigt der Naturschutzwächter seinen Ausweis. "Dann rede ich mit den Leuten. Die meisten sind einsichtig", sagt Josef Bernard.
Im Landkreis Schweinfurt ist die Naturschutzwacht sei 1986 aktiv. Die sieben Wächter sind ehrenamtlich tätig und übernehmen die Betreuung der 20 Naturschutz-, 16 Landschaftsschutzgebiete sowie von 17 Einzelstellen. Einer der Wächter kümmert sich speziell um den Hornissen-, Wespen-, Ameisen- und Greifvogelschutz. Vorwiegend von März bis Oktober sich die Wächter monatlich 20 bis 30 Stunden im Einsatz.