14. April 2014, 0.40 Uhr. Der 61-jährige Lkw-Fahrer einer Rohstoffhandel-Firma in der Straßburgstraße im Maintal will zu einer Tour aufbrechen – und wird stutzig: Aus dem elektrischen Schiebetor hängen Kabel heraus. Er hört und sieht weiter zwar nichts Verdächtiges, aber das offensichtlich defekte Türschloss beunruhigt ihn sehr. Er ruft seinen Chef an, dieser die Polizei – und als sie die Halle betreten, stehen dort zwei firmenfremde Transporter, ein Citroen Jumper und einen Fiat Ducato, mit polnischen Kennzeichen. Jedes Auto ist beladen mit vier Containern Buntmetall a 800 Kilo. Gesamtwert: rund 35 000 Euro, sagt der Firmenchef.
Offenbar sollte das Metall gestohlen werden, und der Lkw-Fahrer hat die Diebe bei ihrem Treiben gestört, so dass sie Hals über Kopf die Flucht ergriffen. Eingedrungen und geflüchtet waren sie der Spurenlage nach über einen zwei Meter hohen Zaun, ferner hatten sie die Blechverkleidung zum Bürotrakt aufgebogen. Zum Beladen der Transporter müssen die Täter praktischerweise Gabelstapler aus der Halle benutzt haben.
Am frühen Morgen des Tattages meldeten sich zwei Polen, 30 und 33 Jahre alt, an der Wache der Schweinfurter Polizei und meldeten genau die beiden Transporter als gestohlen, die nachts in der Firma für Rohstoffhandel – völlig überladen mit dem Buntmetall – gefunden wurden. Sie behaupteten, sie seien mit den Transportern auf dem Weg nach Italien gewesen, um Möbel zu kaufen. Nachts seien ihnen von zwei Unbekannten, dunkelhäutig, wie „Zigeuner“ aussehend, 1000 Euro versprochen, wenn sie ihnen ihre in Polen angemieteten Autos für einen Transport ausleihen.
Das, so die beiden Polen, hätten sie mit Blick auf das viele Geld getan, aber nicht geahnt, dass mit den Fahrzeugen ein Diebstahl begangen werden soll. Polizei und Staatsanwaltschaft glaubten ihnen die Story mit den Unbekannten, denen sie mitten in der Nacht ohne Sicherheiten einfach so mal selbst geliehene Transporter überließen, genau so wenig wie das Schweinfurter Schöffengericht. Dort mussten sie sich – nach neun Monaten Untersuchungshaft – soeben wegen schweren Bandendiebstahls verantworten. Zwar wurden sie nicht auf frischer Tat ertappt, aber Spuren von ihnen fanden sich auch am Tatort.
Während beide Verteidiger keine ausreichenden Tatnachweise bezüglich ihrer Mandanten sahen und Freispruch forderten, reichten dem Vorsitzenden des Schöffengerichts die Menge der Indizien bei weitem aus für eine Verurteilung: der angebliche Möbelkauf in Italien mit Riesenumweg über Schweinfurt; angeblich in einem der Transporter zurückgelassene 3000 Euro für den Möbelkauf; Überlassung der Leih-Sprinter an Unbekannte nur gegen ein 1000-Euro-Versprechen ohne jede Sicherheit; keine Italien-Karte dabei, aber eine für Deutschland; Fuß- und DNA-Spuren am Tatort, die den beiden Angeklagten zuordenbar sind.
Zu je 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilte das Gericht den Autolackierer und den Automechaniker, beide bisher nicht vorbestraft, und hob die Haftbefehle auf. Der 33-Jährige nahm das Urteil sofort an. Er war es auch, der dem Vorsitzenden anbot, ihm schriftlich zu geben, dass er nie wieder in Deutschland einreisen werde. Das, sagte der Richter, könne er gar nicht annehmen, unter den Mitgliedsländern der Europäischen Union bestehe schließlich das Prinzip der Freizügigkeit.