Ja, sie sind alt geworden. Und die Haare grau. Nur ihre Lady, die ist nicht gealtert. Ihr schwarzes Haar weht immer noch im Wind, auch nach über 40 Jahren. „Lady in black“ – natürlich spielen Uriah Heep ihren Klassiker. Auf jeder Tour. Auf jedem Konzert. Auch in Sennfeld. Gut 800 Fans sind begeistert. Vom ganzen Paket, denn der Briten-Fünfer um Mick Box ist selbstverständlich mehr als nur der eine Gassenhauer. Mit „Free me“ einen weiteren einfach wegzulassen – kein Problem.
Ebenso kein Problem: jede Menge neues Material auszupacken. Das klingt alles recht nett, ist aber meilenweit von der progressiven Schiene der frühen Siebziger weg und hat irgendwie keinen „Hook“. Die meisten Bands aus den Anfangstagen des etwas härteren Rocks scheitern mit dem aktuellen Daseinsnachweis, Uriah Heep seltsamerweise nicht. „Outsider“ ist die 24. Studioplatte, man merkt ihr das auch an. Doch die Fans feiern die neuen Songs ab, als wären sie jahrzehntelang auf jeder Party gelaufen. Vielleicht funktioniert's, weil Dinger wie „The Law“ schön schnell sind – und das mit der Band gealterte Publikum ein bisschen Remmidemmi einfach mal wieder braucht, nach Monaten im Anzug oder Kostüm. Mal wieder ein paar Stunden abrocken. Warum nicht?
Gitarrist Mick Box, einziges verbliebenes Gründungsmitglied von 1969(!), merkt schnell, dass er die Leute auf seiner Seite hat, spielt die Bälle gekonnt zurück. „We have a lot of time“ – es bleibe ja noch reichlich Zeit auch für die alten Kracher, beruhigt er ein paar ungeduldige Krakeler. Diese Kracher müssen nicht immer zwingend Hits gewesen sein. Uriah Heep kramen mit geschicktem Händchen in der Klamottenkiste. „Sunrise“, 1972 noch aus der Feder des legendären Keyboarders Ken Hensley, gibt's nicht auf jedem Gig. „The Magician's Birthday“ ebenso. Große Gewächse in einem bunten Strauß. Spätestens jetzt ist vergessen, dass die Halbe Weißbier mit 4,50 Euro sauteuer ist – und das Angebot eines Fan-Fotos mit Band für 30 Euro eine Unverschämtheit. Aber das Gros der 800 ist ja nicht zum Trinken und Knipsen da, sondern wegen der Musik.
Und da schaffen es die Herren von der Insel immer noch, eine Schippe draufzulegen. So ein Schlusstrio mit „Lady in black“–- aaaaahahaaaaahahahaaaahahahaaaa–- sowie den Zugaben „Gipsy“ und „Easy Livin‘“ brettern nicht viele Kapellen nach gut eineinhalb Stunden einfach mal noch so hin. Und davor gibt's sogar noch ein richtiges Zuckerchen: „July Morning“ von der legendären 71er-LP „Look at yourself“, ja, der mit dem unvergessenen Spiegel auf dem Cover.
Da darf Sänger Bernie Shaw, immerhin schon seit 1986 dabei und längst das neue Gesicht der Band, richtig zerbrechlich werden, um dann im nächsten Moment voller Inbrunst sein Gefühl hinauszutragen: „In meinem Herzen, in meinem Geist, in meiner Seele . . .“. Dazu sausen die Hände von Keyboarder Phil Lanzon aberwitzig über die Tasten. Auch wenn's heute wie damals ein bisschen arg nach Deep Purples „Child in Time“ klingt – das ist er, der Prog-Rock, der Uriah Heep zu Gründervätern dieses Genres gemacht hat.
Von derlei Ruhm freilich eine ganze Ecke entfernt sind Voodoo Circle, obwohl mit Mat Sinner ein hochinteressanter Mann den Bass zupft. Ob mit Sinner oder Primal Fear, er hat deutsche Heavy-Metal-Geschichte geschrieben. Allerweil tourt er auch mit dem Projekt „Rock meets Classic“ samt diversen Rock-Helden und klassischem Orchester durchs Land. In Sennfeld rollt er – neben der Radio-Antenne-Band – Uriah Heep den Teppich aus. Und das hörenswert.
Alex Beyrodt, der Sinner in allen drei seiner Bands zur Seite steht, pflegt ein flinkes Händchen am Sechssaiter und im Engländer David Readman (Ex Pink Cream 69) haben die beiden einen stimmgewaltigen Sänger gefunden. Auch wenn hie und da ein bisschen viel Hall beigemischt wird. Gut möglich, dass es dem ein oder anderen die Dreiviertelstunde ein bisschen zu sehr Heavy Metal denn Hard Rock ist, doch spätestens beim letzten Song, dem Led-Zeppelin-Cover „Rock'n'Roll“, bekommen alle glänzende Augen.