Wo die meisten in seinem Alter längst den wohlverdienten Ruhestand genießen, da ist Ferdinand Zinner noch einmal als Zeitungsausträger durchgestartet. Mit 77 Jahren übernahm er 2003 nach dem Tod seiner Frau Rosemarie die kleine Agentur unserer Zeitung im Steigerwalddörfchen Prüßberg. Erst mit 90 Jahren ging der „Zinners Ferdl“ jetzt zum Jahreswechsel endgültig „in Rente“.
Er war bis zuletzt die Zuverlässigkeit in Person und am Ende der älteste Zeitungs- und Briefzusteller von Main-Post und Main-PostLogistik. Übertroffen wurde er bisher nur von einer Zustellerin in den Haßbergen. Diese hatte in Gemeinfeld noch bis zum Alter von 92 Jahren Zeitung und Briefe zugestellt.
Ferdinand Zinner ist regelrecht mit der Zeitung aufgewachsen. Schon als junger Schulbursche holte er einst in den 1930er-Jahren mit dem Rad die vom Zeitungsfahrer auf seiner Tour im Nachbarort Michelau im Steigerwald deponierten rund 15 Zeitungen für Prüßberg ab, wenn Not am Mann war. Zusammen mit seinem Bruder verteilte er sie im Ort.
Damals lief die Agentur noch über Ferdinand Zinners Vater Josef, bevor sie auf Antonie Henkelmann überging. Das war die mit im Haus wohnende Tante seiner Frau Rosemarie, in deren elterlichen Hof gleich neben dem Dorfkirchlein in der Vollburgstraße er eingeheiratet hatte. So blieb das Austragen der Zeitung quasi im Zinner'schen Familienbesitz.
Nachdem die Tante in den 1980er-Jahren gestorben war, übernahm Rosemarie Zinner mit Unterstützung ihres Mannes die Agentur, ehe nach ihrem Tod, wie erwähnt, Ferdinand Zinner mit 77 Jahren selbst als Nachfolger einstieg. So gehörte und gehört die Zeitung zu ihm wie einst die Kühe im Stall zu dem lange betriebenen Bauernhof. Die Zeitung hat ihn seit seiner Jugend ein Leben lang begleitet.
Für die einzige richtige Unterbrechung sorgte der Zweite Weltkrieg, als Ferdinand Zinner 1943 mit 18 Jahren zum Reichsarbeitsdienst und dann zum Militärdienst als Bordmechaniker bei der Luftwaffe eingezogen wurde. Zuvor hatte er in Österreich noch den Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer gemacht.
Im Spätherbst 1945 wurde der Prüßberger aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen. In die Heimat zurückgekehrt, fand er bei der Firma Fichtel & Sachs in Schweinfurt in der Fabrik Arbeit. 40 Jahre lang arbeitete er dort bis 1987 im erlernten Schlosserberuf. Nebenbei half er immer wieder stets beim Zeitungsaustragen mit aus, bevor er die Agentur selbst übernahm.
Ferdinand Zinner war fast bis zum Schluss keinen Tag krank, machte so gut wie keinen Urlaub. Nur an die Abwesenheit aufgrund eines Ausflugs nach Rom und wegen zweier Kuraufenthalte kann er sich in all den Jahren erinnern. Vertretungen, wenn sie denn einmal erforderlich waren, wurden kurzerhand innerhalb der eigenen Familie geregelt.
„Mein Vater war schon immer ein Frühaufsteher“, bestätigt Sohn Hermann-Josef. Und Ferdinand Zinner hat die Zeit genossen, in der er in aller Frühe gegen 4 Uhr mit der umgehängten Zeitungstasche beim Zwitschern der Vögel mutterseelenallein unterwegs war.
Gut eine halbe Stunde hat der Fußmarsch immer gedauert, bis die rund 25 Zeitungen und auch die Briefe der Main-PostLogistik in den Briefkästen und Zeitungsrohren der letzten Häuser am Ortsrand des aktuell keine 100 Seelen mehr zählenden Dorfes gelandet waren. Rund zwei Kilometer ist die Tour lang.
Bis Mitte der 1970er-Jahre hatte es noch zwei Zeitungs-Agenturen im Dorf gegeben, die der Main-Post und die des „Steigerwald-Bote“, den Otto Kram zustellte. Ab 1976 trugen die Zinners zusätzlich das im Jahr 2000 endgültig in die Main-Post aufgegangene Lokalblatt aus Gerolzhofen mit aus. Dadurch hatte sich das Kontingent auf die damaligen in Spitzenzeiten rund 30 gedruckten Zeitungsexemplare im Ort erhöht.
Besondere Ereignisse beim Austragen der Zeitung im beschaulichen Prüßberg fallen Zinner trotz der langen Zeit als Austräger keine ein. Dazu sei es hier in aller Herrgottsfrühe viel zu ruhig gewesen. Im Jahresverlauf gebe es auch keine größeren Feste im Ort und das Dorfgasthaus der gleichnamigen Zinners schräg gegenüber habe längst geschlossen gehabt, als er sich auf seine Tour begab.
Ausgerechnet in seinem letzten Jahr als Zusteller hat es Ferdinand Zinner dann erstmals derart erwischt, dass er ausfiel. Er war auf seiner Runde von einem Hund gebissen worden. Beim Arzt wollte man gar nicht glauben, dass er, der praktisch nie krank war, eine Krankmeldung für die Main-Post benötigte. Und auch die AOK fragte nochmals nach, ob das denn mit dem „Gelben Zettel“ seine Richtigkeit habe. Ein Sturz sorgte dann gleich nochmals 2015 für eine Zwangspause.
Roland Kuhn, der für Prüßberg zuständige Gebietsleiter der Main-ZustellService GmbH, kann bestätigen, dass es nie Probleme und Reklamationen unter der Ägide der Zinners gegeben habe. Alles sei völlig „geräuschlos“ vonstattengegangen.
Sehr gefreut habe ihn zudem, dass es gelungen sei, nach dem Ausscheiden von Ferdinand Zinner eine Lösung im Dorf zu finden, betont Kuhn, übrigens selbst waschechter Prüßberger. So trägt jetzt Zinners Nachbarin Main-Post und Briefe im kleinen Prüßberg aus. Ferdinand Zinner hat das Zeitungsaustragen bis ins hohe Alter fit gehalten. Seine 90 Lenze sind ihm absolut nicht anzusehen.