Ein sauber aufgeräumter Wald? Das war einmal. Mittlerweile ist bei vielen Waldbesitzern angekommen, dass zurückgelassenes Totholz oder Biotopbäume für den Artenreichtum von Pflanzen und Tieren nötig sind. Und dass dies nicht im Widerspruch zu einer Waldbewirtschaftung stehen muss. Auch die Gemeinde Wasserlosen agiert so in ihrem 800 Hektar großen Kommunalwald. Jetzt hat ihr die staatliche Forstverwaltung, erstmals im Landkreis, auch ein umfassendes Konzept für ihren Waldnaturschutz erstellt.
Was den Wasserlöser Gemeindewald besonders macht, ist nicht nur seine Größe mit 800 Hektar von insgesamt 1200 Hektar Wald in der Gemarkung. Ein besonderer Pluspunkt ist auch die Rechtlergemeinschaft im Gemeindeteil Wülfershausen, die sich um 240 Hektar Wald mit besonderer Baumvielfalt kümmert. Sie engagiert sich mit der Kommune freiwillig im Waldnaturschutz, seit 2015 auch mit staatlicher Förderung über das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP). "Bei uns war das damals keine große Diskussion", erklärt Rechtler-Vorsitzender Oswald Drenkard beim Waldbegang. "Wir wollen etwas für unseren Wald tun und ihn erhalten", ergänzt Vorstandsmitglied Burkard Schmitt.
Wenn ein Baum krank war, hat man ihn früher rausgeholt
Eine abgebrochene, schräg stehende Buche mit großen Pilzkonsolen zieht die Aufmerksamkeit auf sich. "Wenn ein Baum krank war, hat man ihn früher rausgeholt", erklärt Stephan Thierfelder, Bereichsleiter Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Schweinfurt. Weil aber totes Holz für unzählige Pilze und Insekten wichtig ist, müsse es Ziel sein, die Waldbesitzer zu unterstützen. Das geschieht mit der finanziellen Förderung von Totholz und Biotopbäumen. Neuerdings sind ins VNP auch Altholzinseln aufgenommen oder das Belassen von Störungsflächen nach Stürmen oder Trockenschäden, analog dem Trittsteinkonzept.
Drenkard und Thierfelder kennen die Bedenken, dass Totholz den Schädlingsbefall fördere. "Jeder Baum hat seine Insekten, die ihn auch umbringen könnten", erklärt der Forstamtsleiter. "Aber die Gefahr ist unterschiedlich groß". Nadelbäume, die hier eigentlich nicht heimisch seien und denen das hiesige Weinbauklima zusetze, seien angeschlagen, so dass der Borkenkäfer leichtes Spiel habe. Gemischte Laubwälder dagegen seien vital, nur der Eichenprachtkäfer stelle ein Problem dar, das die Waldbesitzer aber im Blick hätten. "Je vielfältiger ein Waldbestand mit Bäumen, Insekten und Vögeln ist, desto weniger kann sich ein Schädling extrem ausbreiten."
Mit Vielfalt kann der Rechtlerwald hier punkten: Neben Buchen, Eichen oder Ahorn gibt es seltene Speierlinge, Elsbeeren oder Mehlbeeren. Diese Bäume kommen mit Hitze und dem Klimawandel gut zurecht, erläutert Thierfelder. Dank der Vielfalt blüht es im Frühjahr für unzählige Insekten. Im Herbst sorgen die Früchte der Bäume für Futter für die Waldtiere.
Erstmals wurden die Speierlinge für eine gezielte Erhaltung von den Rechtlern auch kartiert, per GPS sind 65 Altbäume, verteilt auf die gesamte Fläche, erfasst. Darunter sind auch echte Methusalems, 130 Jahre alte dicke Bäume, "eine absolute Seltenheit", so Drenkard stolz.
Den Speierling mit Samen von Altbäumen vermehren
Das Waldnaturschutzkonzept für die Gemeinde sieht nun unter anderem vor, den Speierling auch aktiv zu vermehren, mit Samen der Altbäume. "Damit das Erbgut von hier ist. Denn das ist gut", weiß Thierfelder. Außerdem sollten die Waldränder gepflegt, dort auch Blühflächen angelegt und lichte Waldstrukturen gefördert werden.
Auch das Totholzangebot soll noch erhöht werden, wie es an einer abgebrochenen, liegenden Buche deutlich wird. Der Zunderschwamm-Pilz hatte sich dort schon zu schaffen gemacht, weshalb der Baum 2018 ins VPN aufgenommen und mit einer grünen Welle als Biotopbaum gekennzeichnet worden war.
Jetzt werden viele weitere Pilze das Werk der Zersetzung fortsetzen, etwa der Ästige Buchenstachelbart oder der Buchenschleimrübling. "Zuletzt bleibt nur noch ein kleiner Humushaufen übrig", erklärt der Forstmann. Spezielle Insekten, wie der Schwarzkäfer, finden im Totholz Nahrung. "In der Natur ist alles vernetzt", so Thierfelder.
Auch als Wasserspeicher ist solches Totholz bekannt, in dem sich der Feuersalamander gern verkriecht. Grundsätzlich mache die Lebensgemeinschaft Wasser im Wald aber große Sorgen, so Thierfelder. Deshalb zählt der Ausbau von Feuchtflächen auch zum Schutzkonzept des Wasserlöser Gemeindewalds.
Naturschutz rechnet sich auch
"Naturschutz rechnet sich auch", erklärt Revierleiter Felix Rabe am Beispiel der abgebrochenen Buche. Für sie wurden aus dem VNP für eine Laufzeit von zwölf Jahren einmalig 175 Euro ausgezahlt. "Dieser Baum hätte nicht einmal mehr Brennholzwert gehabt". Etwa 200 bis 400 Biotopbäume wurden laut Rabe jedes Jahr, verteilt auf den Gemeindewald, ins VNP aufgenommen, heuer sogar 425.
Angesichts der Probleme des Waldes beteiligt sich die Gemeinde am verstärkten Naturschutz, sagt Bürgermeister Anton Gößmann. Sie ist daher zufrieden, wenn ein geplanter Holzeinschlag nicht vollständig erfüllt werde und wenn am Jahresende eine rote oder schwarze Null stehe. "Wir wollen unseren Wald ja zukunftsfähig machen."
Zu den besonderen Biotopbäumen zählt auch eine Rotbuche in einem 145 Jahre alten Bestand im Wülfershäuser Laubschlag. Am 40 Meter hohen Stamm hat der streng geschützte Schwarzspecht schon vier Höhlen gezimmert. Nachmieter seiner teils verlassenen Wohnungen sind die Fledermaus, Hohltauben, Dohlen oder Bienen, weiß der Forstamtsleiter.
Mit den neuen Richtlinien des VNP seit Beginn dieses Jahres wurden die Fördersätze von der Staatsregierung noch einmal erhöht. Thierfelder will daher auch andere Waldbesitzer motivieren, das Förderprogramm in Anspruch zu nehmen. "Die Nachfrage hier ist schon überproportional", freut er sich. Von 10,5 Millionen Euro in diesem Jahr für ganz Bayern wurden 1,2 Millionen im Forstamtsbereich, den Landkreisen Schweinfurt und Haßberge, ausgezahlt.