Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise“ DV 911 ist ein Klassiker der Liedliteratur schlechthin. Generationen großartiger Liedinterpreten haben mit diesem Werk ihre ganz individuellen Wegmarken gesetzt.
Nun ist in einer neuen Fassung mit dem österreichischen Opern- und Konzertsänger Günther Groissböck eine neue Interpretation hinzugekommen, die aufhorchen lässt. Das Thema der Vereinsamung, der Fremdheit und der Verlassenheit bekommt durch die Fassung mit Kammerensemble und die Hinzufügung von literarischen Texten eine ungeahnte Dimension.
Nun könnte man anführen, dass die Bearbeitung von Originalwerken für andere Instrumentierung und die Dekonstruktion durch Anreicherung mit Texten nicht immer zugunsten der Originale ausgehen. Doch in diesem Fall ist ein neues Ganzes entstanden.
Der deutsch-österreichische Arrangeur und Komponist Alexander Krampe hatte Günther Groissböck in dessen frühen Jahren seiner Karriere in Klagenfurt kennengelernt und war sofort von ihm begeistert. Dieser signalisierte sofort sein Mitwirken an Krampes Winterreise-Idee. „Nur mit einem solchen Ausnahmekünstler kann ein solches Projekt gelingen. Mit seiner markanten, voluminösen und gleichsam obertonreichen Bassstimme lotete Groissböck die Untiefen in den Liedern nach Texten von Wilhelm Müller aus.
Ein tiefer Schmerz, Wut, Verzweiflung und eine unendliche Leere standen als dunkle Gespenster im Raum – Groissböck gab ihnen seine Stimme. Pointiert und höhnisch lachend in der „Wetterfahne“, als atemlos Gejagter im „Rückblick“.
Die wesentliche Veränderung bestand in der Instrumentierung der Lieder mit einem Kammerensemble statt der ursprünglich vorgesehenen Klavierbegleitung. Hier hatte Krampe wohlüberlegt jeweils solistisch besetzt mit Holzbläsern und Streichern, vor allem aber mit Akkordeon und Gitarre.
Da war der besondere Wiener Klang zu hören, die Schrammelmusik des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit Geigen, Klarinette, Gitarre und Harmonika, wie sie in den Heurigenbeisln gespielt wurde. Das Orchester der Kammeroper München musizierte einfühlsam und tragend, wohldosiert und farbenreich.
Den Texten von Heinrich Heine, Robert Walser, Friedrich Nietzsche und Georg Philipp Schmidt von Lübeck verlieh die faszinierende Schauspielerin Brigitte Hobmeier eine verschattete Anmutung, mit ihrer Stimme Balance haltend, immer am Rande zum Absturz ins Nichts. Sie weitete die zeitliche Verortung bis in die Jetztzeit aus. Erschütternd ihr „Vereinsamt“ von Nietzsche oder Walsers „Traum“.
Es war ein wundersamer fragiler und erschütternder Abend mit Ausnahmekünstlern. Erna Rauscher