„Verweile doch, du bist so schön!“ hätte man rufen wollen, als die „Bacharkaden“ im Theater Schweinfurt sich dem Ende zuneigten. Das Calmus Ensemble Leipzig und die Lautten Compagney Berlin hatten aus Musikfäden über Jahrhunderten und Stile hinweg einen Abend gesponnen, der die Konzertbesucher in ein samtenes Tuch des Wohlklangs und des Erlebens hüllte.
Losgelöst von Raum und Zeit, von Epochen und Stilen, dazu völlig befreit von Interpretationstraditionen musizieren hier ein hochklassiges fünfköpfiges Vokalensemble (Anja Pöche, Sopran, Sebastian Krause, Countertenor, Tobias Pöche, Tenor, Ludwig Böhme, Bariton und Joe Roesler, Bass) und die absolut ebenbürtigen Instrumentalisten Martin Ripper (Blockflöten), Karola Elssner (Saxofon), Ulrike Becker (Viola da gamba), Peter Bauer (Percussion/Marimba) sowie als Leiter Wolfgang Katschner (Theorbe).
Mit Neugier und Kreativität
Guillaume Dufay, Arvo Pärt, Henry Purcell, Bernd Franke, Tarquinio Merula, dazwischen immer wieder Werke von Bach haben die Musiker für dieses Projekt ausgewählt. Und es scheint, als hätten sie die Musik zunächst in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, dann voll unbefangener Neugier betrachtet, mit lustvoller Experimentierfreude und ungeheurer Kreativität auf ganz unkonventionelle Weise neu geschöpft, wieder zusammengesetzt und schließlich freigelassen.
Nicht von dieser Welt
Dabei entsteht Überraschendes: Schlicht, entschlackt, selbstverständlich und berührend wirken die Arrangements, in ihren fantasievollen Instrumentierungen elegant und farbenfroh, transparent und doch überwältigend in der Wirkung. Arvo Pärts „Fratres“ ist spannender als jeder Krimi, die Musik wirkt absolut und geschieht einfach. Bachs „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“ bekommt einen zupackenden, fast karnevalesk-tänzerischen Gestus.
Kurze Saxofon-Improvisationen erweitern „Komm süßer Tod“, das plötzlich nach Weltmusik klingt. Und geradezu körperlich spürbar werden „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ in der Verbindung mit dem Lamento der Dido „When I’m laid“ (Purcell), das unendlich wiederholt und doch jedes Mal anders beleuchtet ertönt.
Ein großer Atem verschmolz diese tief beeindruckende Konzerthälfte, nach der so mancher Besucher erstmals Luft zu holen schien. Lust und Vergnügen versprühte dann Bachs „Wachet auf“, leicht verjazzt und die Räumlichkeit der Bühne nutzend. Sterne schienen zu funkeln, als in Bachs Kantate „Jesu, meine Freude“ Triangel und Cymbel das „Gute Nacht“ überhöhten, gewagt, dezent, fast unwirklich.
Schließlich ein Übergang von in überirdischer Schönheit weichenden Trauergeistern zu Merulas Optimismus verströmender Ciaconna „Su la cetra“ und ein Freude ohne Grenzen verströmender Bach als Schlusspunkt.
Strahlend und unbeschreiblich in der Wirkung war dieser Abend. Hätte er doch niemals geendet – doch so viele Eindrücke wollen erst mal verarbeitet sein. Die beiden Ensembles musizieren jedenfalls wie von einem anderen Stern. Toll! Elke Tober-Vogt