Es ist ein abgelegenes Waldstück, in dem selbst Rehe anfangen könnten, sich einsam zu fühlen. Ein abgerutschter Forstschlepper steckt im Unterholz fest, mitten im Eichenbühl bei Hausen, nahe der "grünen Grenze" zu Hesselbach. Ungebremst ist der Rückebulldog in Richtung Schlucht gerollt und erst im letzten Moment hängen geblieben. Der Fahrer wurde mit blutiger Kopfverletzung eingeklemmt. Eine junge Frau liegt reglos im Graben, jeden Moment kann der Traktor auf sie kippen. Ihre Schwester irrt unter Schock umher, um sie zu suchen.
Die Unfallopfer haben Glück, oben auf der Anhöhe gibt es Handynetz. Um 9.17 Uhr wird Alarm gegeben. Die Feuerwehren Schonungen, Hausen und Gädheim-Ottendorf sowie Rettungskräfte vom Bayerischen Roten Kreuz rücken auf Waldwegen an, zu einem anspruchsvollen, ungewohnten Einsatz. Vom Sammelpunkt unweit des Hausener Steinbruchs aus ist es noch ein ganzes Stück den Hang hinunter. Material muss herangebracht, der Weg markiert werden. Die Einweiserin führt die Feuerwehr zur Unfallstelle – und läuft dann in Panik davon, zwischen die dichten Baumreihen.
Die Übung ist ein Schulprojekt
Den Überblick hat erstmal nur Lukas Zier, als "Anstifter" der Übung. Der 23-Jährige ist Mitglied der Schonunger Feuerwehr und absolviert sein drittes Semester an der Forstschule Lohr, mit dem Berufswunsch Forsttechniker. Dieses Ziel hat Thomas Helmschrott schon erreicht, der zusammen mit Revierförster Lukas Haftner den Gemeindewald betreut. Die Übung ist ein Schulprojekt von Lukas Zier. Wen das Cliffhanger-Szenario an Vorabendserien a la "Die Bergretter" erinnert, liegt nicht ganz falsch: Gerhard Baumeister berichtet, dass es zuhause, im Main-Spessart, sogar eine Bergwacht gibt. Der Techniklehrer der Forstschule zählt ebenso zu den "Manöverbeobachtern" wie Bürgermeister Stefan Rottmann, der am Samstag im unwegsamen Wald das Wahlkampffinale unterbricht.
Forstunfälle gebe es immer wieder, sagt Thomas Helmschrott, der für die Gemeinde mit der größten Waldfläche im Kreis, 1200 Hektar, arbeitet. Erst vor kurzem sei in einem Nachbarlandkreis einem Waldarbeiter die Motorsägenkette ins Gesicht gesprungen – der Mann hatte Glück. Einen Traktorabsturz am Steilhang, den gab es im eigenen Revier wirklich mal. Er ging für den Fahrer ebenfalls glimpflich aus. Förster Haftner berichtet vom Klimawandel, der Aufenthalte im Wald gefährlicher werden lasse als früher. Wenn Buchen unter massiven Trockenschäden leiden, könne es jederzeit zum Astbruch kommen.
Übung abseits ausgetretener Pfade
Die junge Frau im Graben wird aus der Gefahrenzone gezogen, der Traktor per Stahlseil gesichert. Uwe Hand, BRK-Kreisbereitschaftsleiter und weitere Sanis kümmern sich um den Fahrer, der von Sohn Maximilian gespielt wird. Das Schminkteam der Schonunger Rotkreuz-Bereitschaft hat ganze Arbeit geleistet, die Kopfwunde sieht fernsehreif aus. Dann ist Koordination der Gruppen und voller Technikeinsatz gefragt, für rund 60 Einsatzkräfte. Ein gefällter Baum muss zurück gestutzt, eine Rettungsplattform aufgebaut, die Verletzte aus der Schlucht getragen werden.
Die vermisste Einweiserin gibt es ebenfalls noch: ein Fall für die Wärmebildkamera. Fiktiv werden eine Drohne und die Rettungshundestaffel angefordert. Ansonsten ist es die Sternstunde des Ford Ranger, des geländegängigen Allrad-Einsatzfahrzeugs des BRK, das rückwärts den Hang hinab gelenkt wird, um die Verletzten zum echten Rettungswagen zu bringen. Die Patienten müssen zudem wirbelsäulenschonend transportiert werden. Zweieinhalb Stunden lang wird geschwitzt und am Ende auch das Schockopfer gefunden. In echt würde der Fahrer aus der Kabine geflext und womöglich ein Hubschrauber angefordert werden. Die neuen Erfahrungen, abseits ausgetretener Übungspfade, wollen am Ende aber weder Feuerwehr noch Rotes Kreuz missen. Auch Lukas Zier ist zufrieden, auf die Schlussbesprechung folgt das gemeinsame Essen bei den Schonunger Floriansjüngern.