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GRAFENRHEINFELD
Überraschungstüten gegen Corona-Isolation
Die Ideen gehen dem Leitungsteam der Seniorenbegegnung nicht aus. Im Garten von Herlinde Heinisch (rechts) können sich (von links) Rita Gießübel, Pia Kuntschar und Brigitte Mogge jetzt wieder treffen und gemeinsam Basteln. Urlaubsbedingt fehlte Christa Markert.Fotos: Hannes Helferich
Foto: Hannes Helferich | Die Ideen gehen dem Leitungsteam der Seniorenbegegnung nicht aus. Im Garten von Herlinde Heinisch (rechts) können sich (von links) Rita Gießübel, Pia Kuntschar und Brigitte Mogge jetzt wieder treffen und gemeinsam ...
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:28 Uhr

Alle zwei Wochen am Donnerstag ist in Grafenrheinfeld von 14 bis 17 Uhr „Seniorenbegegnung“. Seit 37 Jahren war das so. Bis Corona kam. Aber das Leitungsteam des beliebten Ortstreffs hat dem Virus ein Schnippchen geschlagen.

In normalen Zeiten steht jedes Treffen unter einem Motto. Oft ist die Umwelt und ihr Schutz das Thema. Der Gruppe gehören derzeit 51 Bürger aus der Gemeinde an. Das Alter reicht von 60 bis zur 97-jährigen Helga Wahler. Die Frauen sind in der Mehrheit, aber auch sieben Männer „trauen sich alle 14 Tage ins Haus der Begegnung“, lacht Herlinde Heinisch. Sie ist die Leiterin des fünfköpfigen Orga-Teams, das Corona mit großem Engagement trotzte.

Zusammenkünfte unmöglich

Die Pandemie hatte natürlich auch in Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) eine solche Zusammenkunft nicht mehr möglich gemacht. Anfang März war das letzte Treffen. „Wir überlegten aber sofort, wie wir den Kontakt zu unseren Senioren aufrecht erhalten können“, schildert Heinisch die Angst, dass vielleicht nach Corona „einige nicht mehr kommen“. Eine Treffen am Badesee – unter freiem Himmel? Wurde schnell verworfen. Geht nicht, schon gar nicht für Senioren, weil Risikogruppe.

Weil auch für Herlinde Heinisch (67), Pia Kuntschar (die 60-Jährige), Rita Gießübel (73), Brigitte Mogge (71) und Christa Markert (73) ein Treffen tabu war, war sich das Leitungsteam gleich Anfang März und ganz modern per Telefonkonferenz rasch einig, jeder Seniorin und jedem Senior der Gruppe mit einer Überraschungstüte eine Freude zu machen. Immer an den Donnerstagen, an denen in normalen Zeiten die so beliebte Seniorenbegegnung stattfindet, sollte eine solche Tüte mit Überraschungen persönlich vorbei gebracht werden.

Damit war auch der zweite Aspekt, der bei den Überlegungen eine Rolle spielte, gleich mit erledigt. Corona zwang die meisten Senioren in die eigenen vier Wände. Das Gespräch mit Verwandten, Bekannten und Freunden war nur am Telefon möglich. Dorftratsch, der dazu gehört, fehlte jetzt. Sich treffen, ging eigentlich gar nicht mehr. Isolation, Einsamkeit: Für viele eine bedrückende Situation. Die Überraschungstüte am Donnerstag war das Gegenmittel.

Das „Schweinfurter Tagblatt“ als Malerhut, als Schiffchen oder Papierflieger kennt man und ist für geschickte Hände kein Problem. Warum also nicht auch als Tüte, sagte sich Herlinde Heinisch. Mittlerweile braucht für eine Überraschungstüte, hergestellt aus einer Zeitungsdoppelseite, gerade mal fünf Minuten. Die Henkel sind aus Paketschnur. Bei 102 Tüten jeden Monat kommen dennoch fast zehn Stunden zusammen. Macht ihr nichts aus, „die Resonanz ist super, das zählt“ sagt sie.

Welche Überraschung war bisher drin in den Tüten? An Ostern – naheliegend – ein Häschen, gefaltet aus angemalten Kaffeefiltertüten, und ein bunt bemaltes Ei. Am Muttertag buken die fünf Frauen Herzen. An einem Donnerstag danach gab es ein Töpfchen mit frisch gesäter Kresse, andere Male eine gebastelte Dekorationsblüte, ein Lawendelkolben oder ein Honigglas. Die Tochter einer Seniorin ist Imkerin und spendierte zwei Liter Honig. Die Gläschen kaufte Heinisch beim Drogeriemarkt. Und wie immer packte das Team neben dem „kleinen Gruß vom Leitungsteam“ noch Thematisches bei: Ein Gedicht über Bienen und einen Steckbrief mit vielen Infos über die Honigbiene. Es gab aber auch schon Mandalas zum Ausmalen, eine schöne Geschichte oder ein Rätsel als Beipack, „Gedächtnistraining“, sagt Pia Kuntschar.

Die Zustellung teilen sich die fünf Frauen auf. Jede übernimmt „auf ihrer Tour“ zehn Adressen und hat beim Abliefern schon viel erlebt, vor allem aber Freude. „Viele stehen schon am Küchenfenster und warten gespannt“, berichtet Rita Gießübel. Wie richtig die Aktion war und ist, zeigt die ausgedrückte Dankbarkeit. Die Tochter einer Seniorin schreibt in einer Email: Ihr seid Alltagshelden. In einer aktuellen WhatsApp dankt eine Seniorin „von ganzem Herzen“. Und eine andere Seniorin hat sich besonders über die „Tüte“ gefreut, die ein Foto des Würzburger Bischofs Franz Jung zierte. Noch vor der Maskenpflicht beschloss das nimmermüde Quintett außerdem, allen 51 Senioren einen bunten Mundschutz zu nähen. Weil auch das bestens ankam und im Dorf die Runde machte, bot das Leitungsteam via Gemeindeblatt Mundschutz „made by Seniorenbegegnung“ für drei Euro an. Die Resonanz war enorm. Der Erlös von 750 Euro kommt heuer an Weihnachten dem Grafenrheinfelder Pflegeheim zugute. Nächstes Jahr ist dann wieder die Jugendeinrichtung Maria Schutz an der Reihe. Und: Übernommen wurden und werden derzeit auch Einkäufe und Botengänge für Senioren, die nicht hinauskonnten oder sich nicht raus trauten.

Noch viele schöne Ideen

Ein Ende der „Aktion Überraschungstüte“ ist nicht abzusehen und insofern hatte Altbürgermeister Robert Gießübel, der Mann von Rita Gießübel, recht mit seiner frühzeitigen Anmerkung, dass „das lange dauern kann“. Herlinde Heinisch und Co. macht das nicht bange. „Wir haben noch viele schöne Ideen“, sagt sie. Wenn sie erfahren, dass eine Seniorin oder ein Senior erkrankt oder auf Reha ist, dann erhält der oder die ein Päckchen, „damit sie wissen, sie sind nicht vergessen“.

Und wenn Corona vorbei ist? „Dann hoffen wir, dass künftig noch mehr Senioren zu den Treffen kommen“, sagt Heinisch. Der für September geplanten Märchenerzählerin wurde abgesagt und die geplante Brotverkostung im Oktober ist nicht möglich.

Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger zierte eine Überraschungstüte aus Zeitungspapier.
Foto: Hannes Helferich | Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger zierte eine Überraschungstüte aus Zeitungspapier.
 
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