Was ist Musik? An einem Gymnasium mit Schwerpunkt Musik erwartet man eine solche Frage eigentlich nicht. Doch um genau diese Fragestellung ging es den vierzehn Teilnehmern des Praxis-Seminars mit dem Titel „Cage lebt! – Experimentelle Musik des 20. Jahrhunderts“. Dem Seminarleiter Christoph Jeßberger ging es mit diesem Angebot zum einen um die Beschäftigung mit einer im kommerziellen Konzertbetrieb eher selten auftauchenden Musikrichtung.
Vor allem aber sollten die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit haben, über den Musikbegriff nachzudenken, zu reflektieren und sich selbst im schöpferischen Tun ausprobieren. Unabhängig von ihren jeweiligen musikalischen Vorerfahrungen waren die Teilnehmer von Anfang an in der Lage gleichzeitig als Komponist, Interpret und Hörer zu agieren.
Theorie und Praxis gingen während eines ganzen Jahres Hand in Hand. Texte über Musikphilosophie und Musiktheorie wurden erarbeitet, in zahllosen Sitzungen wurde hitzig über den Gehalt und die Gestalt von Musik diskutiert und vor allem wurde experimentiert: Mit Klängen und Geräuschen. Dabei wurden grundlegende musikalische Phänomene wie Zeit und Stille thematisiert.
Begriffe wie abstrakte und konkrete Musik standen ebenso auf dem Lehrplan wie die Unterscheidung von Klang und Geräusch. Alltagsgeräusche wurden auf ihre Klanglichkeit untersucht, aufgenommen und verfremdet. Die Auseinandersetzung mit Werken bekannter Vertreter der experimentellen Musik wie Mauricio Kagel, György Ligeti, Karlheinz Stockhausen erleichterte das Verständnis und öffnete Perspektiven. Insbesondere John Cage, der kreative Tausendsassa, der das Publikum seinerzeit polarisiert und die herkömmlichen Genregrenzen mit seinen musikalischen Aktionen gesprengt hatte.
Sind Experimente in naturwissenschaftlichen Fächern fester Bestandteil des Unterrichts, ist dies in der Musik selten der Fall. Mit glänzenden Augen berichten die Schüler von ihren Experimenten mit musikalischem Material und „offenem Ausgang“. Sie bescheinigen dem Kursleiter, dass sie eine Menge gelernt hätten und keine Langeweile aufkam. Der Prozess rückte in den Vordergrund, es wurde entdeckt und gefunden und wieder verworfen. Ganz allmählich wurden die Teilnehmer sicherer und mutiger im „Umgang mit dem Chaos“, entdeckten Strukturen, versuchten neue Spiel- und Stimmtechniken, bezogen den Computer als Instrument mit ein.
Am Ende hatten die experimentierfreudigen Musiker zwar keine konkrete Antwort auf die eingangs gestellte Frage, doch erweiterten sie im Lauf des Jahres ihren Musikbegriff auf verschiedenen Ebenen. Sie haben weniger reproduziert, sind vielmehr selbst aktiv geworden und haben Musik erfunden. Das Ergebnis dieses Prozesses ist nun bei der Aufführung „Cage lebt!“ zu hören.
„Cage lebt!“ am Mittwoch, den 16. Januar um 19:30 in der Aula des Celtis Gymnasiums.