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Überlebenskünstler im Steigerwald
Lange musste der Eulenvogel im Koppenwinder Forst mangels alter Bäume auf Kamine und andere Behausungen ausweichen. Jetzt kehrt er wieder in seine natürlichen Brut- und Niststätten zurück.
Ein Dach über dem Kopf: Ein Waldkauz hält im Kamin des verschneiten Koppenwinder Waldhauses Ausschau. Mangels lange fehlender alter Bäume als Nist- und Brutstätten war er einst in den Schlot ausgewichen. Jetzt bleibt das Pärchen der Rückzugs-Tradition treu, obwohl es inzwischen wieder natürliche Faulhöhlen in der Umgebung gibt.
Foto: Georg Sperber | Ein Dach über dem Kopf: Ein Waldkauz hält im Kamin des verschneiten Koppenwinder Waldhauses Ausschau. Mangels lange fehlender alter Bäume als Nist- und Brutstätten war er einst in den Schlot ausgewichen.
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 23.01.2015 17:17 Uhr

Unberührt ist die Natur schon lange nicht mehr. Dazu hat der Mensch das Antlitz der Erde zu sehr nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen geformt. Und doch scheint der liebe Gott die Geduld so schnell nicht zu verlieren. Denn, wenn die Natur die Chance bekommt, dann holt sie sich das zurück, was ihr genommen wurde. Der Waldkauz im Nördlichen Steigerwald ist so ein Überlebenskünstler, der zeigt, dass sich Geduld mit dem Menschen lohnt.

150 Jahre gab es aufgrund abgeholzter alter Bäume für die mittelgroße Eule keine richtigen natürlichen Brutstätten mehr im Koppenwinder Forst. So nutzte der Waldkauz Kamine als Ausweichquartier oder zog seine Jungen in alten Bussardhorsten auf, im Fuchsbau oder sogar in einem trockenen Wasserdurchlass unter einer Forststraße.

Inzwischen ist der Buchen-Eichen-Bestand im Koppenwinder Forst rund 180 Jahre alt. Und schon zieht der Waldkauz wieder in die Höhlen starker Buchen ein, die ihm lange nicht zur Verfügung standen, wie Georg Sperber weiter zu berichten weiß. Der langjährige Leiter des Forstamts Ebrach, Forstwissenschaftler und viel gefragte Waldnaturschützer widmet sich seit langem auch und gerade der hiesigen Vogelwelt und ihrem Schutz und ganz besonders den Waldvögeln.

Einer der natürlichen Höhlenbaume ist eine über 200-jährige, im Rambachgrund stehende Rotbuche. Von einer alten Schwarzspechthöhle ausgehend, hat sich eine tiefreichende, geräumige Faulhöhle entwickelt, in der seit 40 Jahren Waldkäuze nisten. Dieser Baum steht an der Grenze zur Waldabteilung Köhler, an deren Südseite wiederum im Koppenwinder Waldhaus die Waldkäuze im Kamin brüten und so ihrer 150 Jahre alten Rückzugs-Tradition seit den Zeiten von Andreas Johannes Jäckel treu bleiben.

Der Altmeister bayerischer Vogelkunde

Der evangelische Pfarrer aus dem Aischgrund gilt als Altmeister der bayerischen Vogelkunde. Sein erst nach seinem Tod 1891 erschienenes Hauptwerk „Systematische Übersicht der Vögel Bayerns mit Rücksicht auf das örtliche und quantitative Vorkommen der Vögel, ihre Lebensweise, ihren Zug und ihren Abänderungen“ ist heute noch das Standardwerk der bayerischen Ornithologie.

Ein wichtiger Korrespondent für den Pfarrer, Ornithologen und Naturwissenschaftler war der Ebracher Arzt Ignaz Kress. Von ihm bezog Jäckel viel Wissen über die damalige Vogelwelt im Raum Ebrach, so Georg Sperber. Mangels anderer Möglichkeiten der Dokumentation zu dieser Zeit erlegte Kress besonders seltene Vögel und ließ sie für das Königliche Naturalien-Kabinett in Bamberg, dem heutigen Naturkunde-Museum, präparieren. Auch Förster und Jäger brachten immer wieder ihnen unbekannte Vögel, die sie geschossen hatten, nach Ebrach zu dem weithin bekannten Experten.

Der Arzt publizierte seine Funde in ausführlichen Beiträgen in den Jahrbüchern der Naturforschenden Gesellschaft in Bamberg. So weiß man dank der Forschungsarbeit von Ignaz Kress heute nicht nur über die Vogelwelt, sondern auch über die Pflanzen, Insekten, und hier vor allem über die Käfer, sowie über die Säugetiere um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Oberen Steigerwald sehr gut Bescheid, berichtet Georg Sperber.

Jäckel weist in seinem Buch über Bayerns Vögel darauf hin, dass er bei einem Besuch im Ebracher Klosterwald bei seinem Freund Ignaz Kress unter der Abdeckung des Schlotes im Koppenwinder „Waldhaus Dianenlust“ ein Waldkauzpärchen beobachtet hatte. Er wertete dieses Ausweichen der Waldkäuze auf Gebäude als Beweis für die Nachteile der „modernen“ Forstwirtschaft mit „rationellen Nadelholzplantagen“ und schrieb: „Unsere moderne Forstwirtschaft ist keine Liebhaberin anbrüchiger hohler Stämme wie sie Spechte, Eulen, Dohlen, Racken, Hohltaube und andere Höhlenbrüter benötigen.“

Als Grund für den Rückgang des „ziemlich gewöhnlichen Stand- und Strichvogels“ nannte Jäckel die damals auch in Franken gebietsweise angeordnete Umstellung von den hergebrachten Wirtschaftsformen auf die deutschlandweit als fortschrittlich angesehene so genannte Altersklassenforstwirtschaft.

Kritik an Waldbewirtschaftung

Insbesondere verwies der Vogelkundler auf „die jetzige intensive Bewirtschaftung unserer Wälder, die Führung von Kahlschlägen auf großen Flächen anstelle der früher üblichen Plenterwirtschaft, die Erziehung gleichaltriger, dicht geschlossener Bestände, sowie auf das Einerlei ein und derselben Holzpflanze auf weiten Kulturflächen“.

Hierzu muss man wissen, dass die nördlich an das Koppenwinder Waldhaus anschließende Waldabteilung „Köhler“ (früher „Kohlplatte") um 1825 großflächig auf 90 Hektar als gleichaltrige Buchennaturverjüngung mit beigemischten Traubeneichen entstanden war. Bei Jäckels Besuch war es ein dicht geschlossenes 30- bis 40-jähriges Stangenholz.

Aufgrund ihrer Entnahme fehlten auf den Verjüngungsflächen die im Vorbestand aus der Mittelwaldvergangenheit vorhandenen uralten mächtigen Eichen, in denen die großen Höhlenbewohner traditionell gebrütet hatten. Die in der Wahl ihrer Brutstätten flexiblen Waldkäuze waren deshalb in den Kamin des Waldhauses ausgewichen. Und dort hausen sie bis heute, aber eben auch wieder in den Faulhöhlen in der Zwischenzeit alt gewordener Bäume in der Umgebung.

Zum Glück hatten sich immer wieder „sture“ Steigerwaldförster dem Zeitgeist widersetzt und sich nicht an die Anordnungen der Obrigkeit gehalten, die Bäume zu fällen. Dafür stehen auch die heutigen Naturwaldreservate Waldhaus und Brunnstube bei Ebrach oder die für ihre Buchen-Giganten berühmte Waldabteilung Kleinengelein im Wustvieler Forst.

Dank des reichlichen Samenertrags von Rotbuche und Traubeneiche sind die Vorbedingungen für ein Ansteigen der Gelbhals- und Rötelmausbestände als den wichtigsten Beute- und Nahrungstieren der mittelgroßen heimischen Waldeulenarten übrigens heuer sehr günstig. Seit zwei Jahren warten Wald-, Sperlings-, Raufußkauz & Co. bereits auf bessere Zeiten mit vielen Waldmäusen, wie Georg Sperber aus seiner Beobachtung weiß. Der Koppenwinder Forst liegt quasi vor seiner Haustür in seinem Wohnort Neudorf.

Ignaz Kress

Am 31. Dezember 1806 in Bamberg geboren, starb Ignaz Kress im November 1886 in Ebrach. Zum 50-jährigen Jubiläum als Arzt und Wundarzt in der Steigerwaldgemeinde war ihm 1879 von der Gemeinde als erstem Bürger überhaupt „in Anerkennung seiner vielen Verdienste“ die Ehrenbürgerwürde verliehen worden. Ignaz Kress war auch Träger des Verdienstordens der Bayerischen Krone und dafür in der Bevölkerung bekannt und geachtet, dass er arme Bürger fast unentgeltlich als Arzt behandelte. novo

Andreas Johannes Jäckel

Wichtigste ornithologische Station des 1822 in Nürnberg geborenen und 1885 in Bad Windsheim gestorbenen Altmeisters der bayerischen Vogelkunde war seine Pfarrstelle in Neuhaus im Aischtal, wo er am Schloss der Freiherrn von Crailsheim wohnte. Am ehemaligen Pfarrhaus erinnert eine Tafel an den prominenten Bewohner. Und die Teichlandschaft um Höchstadt an der Aisch wird heute noch von Vogelkundlern als „Jäckel-Weiher“ bezeichnet. Ein wichtiger Informant für Jäckel war der Ebracher Arzt Ignaz Kress. novo

 
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Kommentare
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  • Dryocopus
    Vom Zauber alter Bäume wird hier berichtet: gut, dass Herr Sperber, der beste Kenner des Steigerwalds, uns an seinem Wissen teilhaben lässt!

    Wir brauchen viel mehr von derartigen überzeugenden Berichten!
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