Kleine geschmolzene Metallstücke, zum Teil verrostet, zum Teil blankgeschliffen, alle arrangiert auf alten Eichenholzstücken, machen nachdenklich. Es sind Überbleibsel eines ausgebrannten, amerikanischen B-17-Bombers, der am 14. Oktober 1943 an der Luftschlacht um Schweinfurt beteiligt war. Jetzt, 80 Jahre danach, finden sie als kleine Erinnerungsstücke vom Fundort in England wieder nach Schweinfurt: Als Mahnung für Frieden und Versöhnung.
In seinem Büro in Sennfeld zeigt der katholische Pastoralreferent Michael Pfrang drei dieser kleinen Kunstobjekte. "Zwei habe ich bei einem Friedensgebet zum 14. Oktober bereits übergeben: An die Oberndorfer Pfarrgemeinde Sankt Josef, deren Kirche damals zerstört wurde, und an die evangelische Kirchengemeinde hier im Ort zur Weitergabe ans Dekanat."
Pfrang, der vor seinem Einsatz in Sennfeld 18 Jahre in Sankt Josef in Oberndorf wirkte, versteht sich als Bote des Engländers Hugh Gibbons, dem Akteur dieser speziellen Art der Völkerverständigung. Dieser hatte sich 2014 schriftlich an die Pfarrei Sankt Josef gewandt. Pfrang hatte ihn danach in London getroffen, auf Gibbons Wunsch mit Erde aus Schweinfurt im Gepäck. Von ihm erfuhr er die Geschichte des Flugzeugs und von ihm erhielt er später die Erinnerungsstücke zur Weitergabe.
Bomberbesatzung konnte tödliche Fracht nicht abwerfen
Der historisch interessierte Lehrer, Texter und Autor aus Bracknell, 60 Kilometer südwestlich von London, hatte im Oktober 2013 als Hobby-Sondengänger mit seinem Metalldetektor einige kleine Überbleibsel eines amerikanischen Flugzeugs auf einem nahen Feld gefunden. Seine Recherchen führten zum US-Bomber mit dem Flugzeugkennzeichen F3351Z, der mit 228 anderen am zweiten Luftangriff auf die damalige Rüstungshochburg Schweinfurt beteiligt war. Beim "Black Thursday" wurden 276 Zivilisten in Schweinfurt getötet, aber auch an die 600 Amerikaner, die Besatzung der etwa 60 abgeschossenen Flugzeuge. Auch die Oberndorfer Kirche Sankt Josef wurde zerstört.
Die Besatzung des B-17-Bombers mit dem Kennzeichen F3351Z konnte dessen tödliche Fracht nicht über Schweinfurt abwerfen. Der Auslösemechanismus für den Bombenabwurf war angefroren, hatte Gibbons herausgefunden. So musste der Pilot unverrichteter Dinge umkehren und über den Ärmelkanal zurück nach England fliegen. Doch wegen des ungeplant hohen Gewichts beim Rückflug reichte der Sprit nicht bis in die englische Heimatbasis, den Militärflugplatz Podington, 110 Kilometer nördlich von London. Zudem war die Maschine offenbar in der Luft getroffen und beschädigt worden.
Nach der Notlandung in Flammen aufgegangen
Augenzeugen zufolge soll sie vom Piloten zwar relativ gut zur Notlandung auf einem Acker bei Bracknell gebracht worden sein, hat Gibbons recherchiert, aber dann schoss das Flugzeug über das Feld hinaus, durchbrach eine Hecke, kam auf dem Gelände der Tally-Ho-Farm zum Stehen und fing Feuer. Bombenfracht und Munition an Bord gingen in die Luft, das Flugzeug brannte vollständig aus, aber die Besatzung konnte sich retten.
Hugh Gibbons machte die Männer beziehungsweise ihre Angehörigen in den USA ausfindig. Und er suchte den Kontakt nach Deutschland, fand als gläubiger Katholik in Pastoralreferent Michael Pfrang in Oberndorf einen Freund. Diesem ist nach eigenen Worten eine Erinnerungskultur ebenso wichtig. "Mein eigener Vater war schwer kriegsbeschädigt, von seinen fünf Brüdern sind außerdem vier gefallen", erzählt Pfrang. "Das macht schnell deutlich, was Krieg heißt".
Erinnerungsfeld angelegt
Viele Geschichten über Schicksale, aber auch über Menschlichkeit auf beiden Seiten der damaligen Kriegsparteien England, USA und Deutschland veranlassten Hugh Gibbons, 2016 am Fundort des US-Bombers ein kleines Erinnerungsfeld, das "Thanksgiving Field" zu gestalten: mit Tafeln über die Ereignisse, mit Sprüchen von Besuchern.
Aus seinen metallenen Fundstücken ließ er außerdem kleine Kunstobjekte fertigen, um sie an Schweinfurt weiterzugeben: an die Pfarrei Sankt Josef, die evangelische Kirche, die Stadt, eine Schule und an die Firma Schaeffler als Nachfolger des Wälzlagerherstellers FAG. "Bei den letzten drei suche ich noch Ansprechpartner für eine Übergabe", erklärt Pfrang.
Für ihn ist wichtig, "dass man Materie in der Hand hält, die eine Geschichte erzählt", sagt er. Begleitet von Erde aus den drei kriegsbeteiligten Nationen Deutschland, England und USA erinnern sie an diesen "Schwarzen Donnerstag" vor 80 Jahren, an seine Opfer und mahnen zum Frieden.