Der Bocksbeutel ist bekanntermaßen identitätsstiftend für das gesamte Weinanbaugebiet Franken und zugleich für die Weine der Familie Scheller in Stammheim, denn bei ihnen ist die besondere Flasche sogar Bestandteil im Namen ihres Weinguts. Bereits zehn Bauwerke rund um die urfränkischste aller Weinflaschen-Formen, vom ersten Modell im Jahr 2003 bis zum flotten Bocksbeutelflitzer für die Enkel, hat Senior-Winzer Gerhard Scheller bereits geschaffen. Jetzt konnte er nach über viermonatiger Handwerksarbeit ein weiteres Großprojekt vorstellen.
"Multifunktionsbocksbeutel" nennt Scheller sein raffiniert ausgedachtes Raumgebilde, das schon beim Anblick aus der Ferne imposant wirkt. Bei genauerer Betrachtung fällt die filigrane handwerkliche Verarbeitung und die Liebe zum Detail auf. Der Bocksbeutel steht auf Rädern und ist mittels Stapler auch über längere Strecken transportabel, was verschiedene Nutzungsarten ermöglicht.
Derzeit ist das Werk am Ortsrand von Stammheim zu betrachten. Familie Scheller schwebt aber ein regelmäßiger Wechsel der Standorte vor, auf dem Betriebsgrundstück oder natürlich auch im Grünen, draußen im Weinberg – sozusagen Romantik pur.
Weinproben im kleinen Kreis
Die überdachte Sitzgelegenheit kann dort zum Beispiel den passenden Ort für Weinverkostungen in kleinen Gruppen darstellen, stellt sich der Erschaffer vor. Bei einem überraschenden Schauer sitzen die Gäste jedenfalls im (und nicht auf dem) Trockenen. Nur wenige Handgriffe sind darüber hinaus erforderlich, um die Bank-Tisch-Kombination zu einem gemütlichen Schlafplatz mit 1,5 Meter breiter Liegefläche inklusive Matratzen umzubauen.
Seit Anfang des Jahres hatte Scheller dazu in der Scheune auf dem Hof getüftelt, gebohrt, gesägt und geschweißt. Für das Projekt gab es für ihn kein Vorbild, alles hat er selbst konstruiert und angefertigt – so ist ein echter Prototyp entstanden.
Komfortabel, wetterfest und mit Strom
Ganz am Anfang projizierte er das Foto eines Original-Bocksbeutels mittels Beamer auf das Scheunentor, damit er Umrisse und Form proportional auf das Holz übertragen konnte. Im weiteren Verlauf der Verarbeitung kamen dem Multitalent immer wieder neue Einfälle, wie er den Bocksbeutel noch komfortabler, aber dennoch wetterfest gestalten kann. So ist das Objekt mit einem Stromanschluss ausgestattet, um die eingebauten Steckdosen und Licht nutzen zu können. Durch eine Wärmedämmung und den Einsatz von entsprechend qualitativ hochwertigen Materialien ist für den Schutz vor Wind und Wetter ebenso bestens gesorgt wie für eine Belüftung durch den "Flaschenhals" des Bocksbeutels sogar bei geschlossenen Flügeltüren an den Seiten. Letztere können bei Bedarf auch blickdicht verschlossen werden.
"Eine traumhafte Übernachtung im Bocksbeutel ... Wo gibt’s das schon?“, dachte sich Gerhard Scheller schon im Vorfeld und hat bereits den ersten Probeschlaf im Bocksbeutel hinter sich. Der Bocksbeutel mit Aufenthaltsqualität aus Stammheim ist also der erste seiner Art und eine Hommage an das seit über 250 Jahren typische Behältnis und Markenzeichen für den Frankenwein.
Nicht das erste Vorzeigeprojekt
Die Idee habe ihn schon länger verfolgt, betont Gerhard Scheller. Damit setzt sich in gewisser Weise auch das fort, was im Jahr 2003 inmitten der Hanglage des Stammheimer Eselsbergs erschaffen wurde. Dort gibt es mit dem "Größten Bocksbeutel der Welt" schon ein Vorzeigeprojekt zu bestaunen, das vor vielen Jahren aus Schellers Einfallsreichtum entsprungen und längst zum Wahrzeichen Stammheims geworden ist. Mit viel Muskelkraft und Schweiß, Überzeugung und Enthusiasmus hatte die Familie dort eines der schönsten Fleckchen in der Region erschaffen. Es bietet Sitzplätze für bis zu 50 Personen bei Events und einen fantastischen Ausblick über das Dorf Stammheim, über die Weinberge und das Maintal bis zum Kreuzberg in der Rhön.
Den Wein dort zu trinken, wo er wächst, sei immer schon ein besonderer Teil der Philosophie des Bocksbeutelweinguts gewesen, sagt Gerhard Scheller.
Eine bauchige Flasche mit Charakter
"Der Bocksbeutel ist für uns absolut auf der Höhe der Zeit", sagt auch Sohn Michael Scheller, der das Bocksbeutelweingut aktuell führt. "Bodenständig, nachhaltig, echt. Ein Stück Heimat eben", betont er hinsichtlich der Charaktereigenschaften der bauchigen Weinflasche.
Selbst in kulinarischer Hinsicht kann die Familie Scheller die Finger nicht vom Bocksbeutel lassen. Gebäck aus Mürbteig in Bocksbeutelform wird bei jeder Gelegenheit gereicht. Aufgrund der großen Nachfrage wurde das Rezept für alle zum Nachbacken auf der Webseite des Weingutes veröffentlicht.