In einem am Mittwoch im Anzeigenteil dieser Zeitung veröffentlichten „Aufruf an den Schweinfurter Oberbürgermeister“ fordern 58 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus ganz Bayern, der Kronauer-Stiftung die Rathausdiele für die Verleihung ihres Historikerpreises am 4. Oktober zu verweigern. Das hat auch schon ein Bündnis aus SPD, Gewerkschaften, der Soldmann-Stiftung und Initiativen aus Schweinfurt und Nürnberg unter dem Motto „Schweinfurt gegen Geschichtsverfälschung“ gefordert.
Zu den Unterzeichnern des aktuellen Aufrufs zählen der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Florian Pronold (SPD), der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena, der Ex-Bayern-Vorsitzende der IG Metall Werner Neugebauer aus Schweinfurt sowie die Schweinfurter Dekane Oliver Bruckmann und Stefan Redelberger. Die meisten Unterzeichner gehören der SPD an. Aus dem hiesigen Raum haben die Europaabgeordnete Kerstin Westphal (Schweinfurt), MdB Sabine Dittmar (Maßbach) und etliche Landtagsabgeordnete unterschrieben, darunter Kathi Petersen aus Schweinfurt und Würzburgs Ex-OB Georg Rosenthal. Zu nennen sind noch Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher, Ex-MdB Walter Kolbow (Würzburg) und der frühere Landtagsvizepräsident Franz Maget (München).
Die Unterzeichner begründen, wie schon das lokale Bündnis, ihren Appell damit, dass Scheil „nach übereinstimmendem Urteil namhafter Wissenschaftler die Schuld des Nazi-Regimes am Zweiten Weltkrieg verharmlost“. Scheil positioniere sich damit am äußersten rechten Rand.
SPD-Stadtrat Stephan Kuserau, der wie Petersen zu den Initiatoren des Protests zählt, sieht angesichts der breiten öffentlichen Zustimmung den OB am Zug: „Schweinfurt ist weltoffen und modern, Remelé soll jetzt Courage beweisen und der geplanten Preisverleihung seine Unterstützung entziehen,“ sagt Kuserau.
Das wird der OB aber nicht tun. Im Prinzip wiederholte Pressesprecherin Anna Barbara Keck auf Anfrage die Begründung, mit der das Rathaus schon auf den Appell des erwähnten Bündnisses reagierte. Die Rathausdiele sei gemäß Gemeindeordnung eine öffentliche Einrichtung, sie sei gewidmet, was heißt, dass sie Schweinfurter Vereinen und Organisationen für Veranstaltungen überlassen werden müsse. Die Preisverleihung der Kronauer-Stiftung sei widmungsgemäß. Weil sie ihren Sitz in Schweinfurt hat, habe sie einen rechtlichen Anspruch.
Wenn bei der Veranstaltung strafrechtlich oder verfassungsrechtlich bedenkliche Handlungen oder Äußerungen zu erwarten wären, wäre eine andere Beurteilung vorzunehmen. Das sei aber nicht der Fall. Der Stadt seien auch keine verfassungsfeindlichen oder strafrechtlich relevanten Äußerungen Scheils bekannt. Die Diele zu versagen, sei daher rechtlich problematisch. Der OB werde aber, wie schon einmal gesagt, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen, sagte Keck. Und die ist: „Aus meiner Sicht gibt es zum verbrecherischen Charakter des Dritten Reichs nur eine akzeptable Haltung. Verharmlosungen und Umdeutungsversuche haben keine Berechtigung“, wird Sebastian Remelé zitiert.
Auf den neuerlichen Aufruf hat auch Scheil reagiert. Die Sache drehe sich insofern im Kreis, als die Vorwürfe an die Kronauer-Stiftung und ihn ähnlich seien, teilt er mit. Es sei einfach so, dass es über die Vor- und Frühgeschichte des Zweiten Weltkriegs eine wissenschaftliche Debatte gibt, „die leider von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird“, so Scheil. Er lasse in seinen Schriften keinen Zweifel, dass natürlich auch NS-Deutschland den Krieg wesentlich mitzuverantworten habe.
Es könne nicht Aufgabe der Politik sein, der Wissenschaft Inhaltsvorgaben zu machen. Er könne nur erneut dazu auffordern, die komplexe und vieldeutige wissenschaftliche wie intellektuelle Aufarbeitung der Weltkriegsära nicht weiter mit politischen Vorurteilen zu belästigen.
Unter dem Motto „Kein Preis für Ewiggestrige“ lädt das lokale Bündnis am Montag, 29. September, um 18.30 Uhr zu einem Vortragsabend in die Rathausdiele ein. Dabei nehmen drei Experten aus Wissenschaft und Politik zur Thematik Stellung: Der Historiker Wolfgang Benz aus Berlin, Alexander Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, und Robert Günthner, Referent beim DGB Bayern und Mitverfasser der Broschüre „Rechtsextremismus in Bayern“. Einleitende Worte spricht SPD-Kreisvorsitzende Kathi Petersen. Remelé will auch dort ein Grußwort sprechen.
Recherchieren Sie doch mal, wer und zu welchem Thema bisher einen Preis bekommen hat.