Wieder einmal so ein grauer Wintertag. Die Sonne ist nur als blasser Schatten hinter dem Nebel zu erahnen. Lange bleibt es dunkel, das Tageslicht ist knapp. An einem solchen Tag schoss mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf: "Eigentlich könnte doch mal jemand das Licht anmachen" – und dann, fast gleichzeitig musste ich lachen: "So ein Quatsch, es ist doch Tag. Die Sonne scheint, nur verdeckt durch Wolken. Niemand kann noch mehr Licht anknipsen." Man wird dies als schicksalhaft gegeben hinnehmen, oder vielleicht doch voll unbestimmter Unzufriedenheit protestieren: "Es muss doch noch mehr geben als das alles", wie Dorothee Sölle einmal schrieb.
Darin spiegelt sich eine tiefe Sehnsucht, dem Leben eine andere, tiefere Dimension abzugewinnen, noch jenseits dessen, was klar vor Augen liegt. Hinter der Welt der Realität liegt die Welt der Möglichkeiten, die darauf warten, ergriffen zu werden. "O Heiland, reiß die Himmel auf", dichtete vor 400 Jahren Friedrich Spee von Langenfeld. Hinter aller vernebelten Undurchsichtigkeit, wissen wir, strahlt die Sonne, kann Klarheit und Wahrheit aufleuchten, weitet sich der Blick.
Natürlich sind das große Erwartungen, geweckt vom Propheten Jesaja, der Gott anfleht: "Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab." Mit dem "Ach" können wir schon einmal beginnen, seufzen nicht nur über die Einschränkungen, die uns von außen auferlegt sind, sondern auch das bedenkend, was innerlich lähmt und verhindert, etwas im Leben zu erneuern. Strophe für Strophe werden wir geleitet, auf unscheinbare kleinste Veränderungen zu achten, wie den Tau, der die Pflanzen benetzt, wie die Erde mit ihrer fruchtbaren Kraft, alles grün zu machen, auch wenn sie im Moment ruht. "Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt", so hört man den ungeduldigen Aufschrei angesichts trostloser Zustände.
Dabei soll und darf es nicht bleiben. Ein wenig können wir auch selbst beitragen: trösten, Mut zusprechen, zum Aufbruch ermuntern, Hindernisse beseitigen. Dass am Ende alles gut wird, daran gibt es keinen Zweifel. Das Lied spricht von dem kommenden Heiland, von dem Gott, der vom Himmel seine belebende, schöpferische Kraft sendet, der auf all die Bitten hin Hilfe und Heil sendet.
"Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für" – der Weg ist frei, was Himmel und Erde trennt, ist überwunden, was hier an Leid geschieht, berührt auch Gott. Und dieser Gott ist der kommende, auf dessen "Advent" sehnsüchtig gewartet wurde und wird.