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SCHWEINFURT
Triennale: Anderswo in Franken
Zweite Triennale Die Ausstellung für zeitgenössische Kunst in der Schweinfurter Kunsthalle macht viel Spaß, sie fordert und sie darf auch irritieren.
Thomas May: „5er Garten“ aus der Serie „Tragbarer Stadtgarten“.
| Thomas May: „5er Garten“ aus der Serie „Tragbarer Stadtgarten“.
Von unserem Redaktionsmitglied Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 31.07.2012 12:10 Uhr

Sie können in dieser Triennale viel Spaß haben

Sie können dem Gras beim Wachsen zuhören, während ihre nackten Füße von kühlen Halmen gekitzelt werden. Sie können sich die absurde Geschichte des Nürnberger Künstlers Heiner Schwitzke reinziehen, ausgedacht von zwei Männern, die sich die Weltanschauungsbeauftragten nennen. Sie können in einer Gefäßskulptur eine Ahnung von der Unendlichkeit des Raums erfahren, auf einer Fotografie einen Mann mit kurzen Hosen und rotem Hemd suchen – es gibt ihn mindestens dreimal – oder sich den „Fotografien“ von Pflanzen nähern, bis Sie erkennen, dass diese aus Tausenden von Gesichtern zusammengesetzt sind.

Sie können auch wunderbar über Kunst streiten in dieser bunten, vielschichtigen Ausstellung, wie die beiden Damen bei der Eröffnung am Donnerstag. Die eine war fasziniert von der gleißend hellen utopischen Welt von Roland Schütz, die sehr prominent gehängt ist, die andere sagte nur „Kitsch“.

20 Positionen von 21 Künstlern, viele aus dem Nürnberger Raum, hat Kurator Hans-Peter Miksch ausgewählt. Das Motto „anders:wo“ spiegle die schwierige Frage wider, die sich viele Künstler in Franken angesichts des unterentwickelten Kunstmarktes stellen: bleiben oder gehen. Das Motto verweise aber auch auf die Sehnsucht des Künstlers nach einem psychischen, physischen, geistigen oder politischen Anderswo.

Um es vorwegzunehmen: Die Malerei tut sich ein wenig schwer in der Gegenüberstellung mit den Installationen, die sehr witzig sind, voller Anspielungen auf die Kunstgeschichte oder ironische Seitenhiebe auf die Rolle des hehren Künstlertypus. Da steht diese Papphütte im Foyer, zusammen geschustert von Martin Fürbringer und Philipp Moll. Die beiden erzählen hier ihre Geschichte vom fiktiven Künstler Schwitzke weiter, der in dieser Bude haust und durchs Fenster auf ein unerreichbares paradiesisches Anderswo blickt. In der Großen Halle behauptet der Konzeptkünstler Benjamin Zuber, der „Platzhirsch“, mit seinen grünen Handtüchern sein Territorium.

Lieblingsplatz bei der Eröffnung war der Außenposten des GrashalmInstituts von Thomas May im Innenhof. Man konnte Oberbürgermeister Sebastian Remelé und einige Damen der Gesellschaft kopflos sehen oder selbst seinen Kopf in das Innere des seltsamen Gebildes stecken, das May den „5er Garten“ nennt, weil fünf Menschen gleichzeitig in diese kühle grüne Welt eintauchen können. Sebastian Kuhn zerlegt Dinge und setzt sie neu zusammen. Sein Bett „Between Dreams“ ist Skulptur und Installation und greift gleichzeitig Motive der kubistischen Malerei auf.

Auch die Fotografie ist mit starken Arbeiten vertreten. Christian Höhns Stadtansichten in Alu-Leuchtkästen faszinieren durch ihre Brillanz. Magdalena Abele gibt uns in ihren Bildern von touristisch schönen Orten Rätsel auf. Wie oft gibt es den Mann im roten Hemd wirklich? Oliver Boberg greift in seiner Fotografie „Alte Mauer“ offensichtlich den Kampf seines Bruders Marc Dominic um den Erhalt des Alten Krankenhaus in Schweinfurt auf. Was wir sehen ist nicht die echte Mauer, auf die Boberg seine Parole gesprüht und später übermalt hat, sondern ein Modell.

Es gibt noch mehr zu entdecken in dieser Ausstellung: Wer in eine der beiden Gefäßskulpturen von Hans Karl Kandel blickt, sieht nichts. Keine Wand, keinen Boden, keine Kante. Spannend die Zeichnung von Mareike Drobny. In dem Jahr, das sie an der Hiroshima Universität verbrachte, notierte sie permanent per GPS ihren Standort. Aus der Summe der Ortswechsel entstand die große Zeichnung.

Gleich daneben vier Fotos von wunderschönen, aber giftigen Blumen, die Verena Rempel aus Porträts von Serienmördern zusammengesetzt hat. Auch Margarete Schrüfer spielt mit unserer Wahrnehmung mit ihren perfekten Aufnahmen von perfekt imitierten Blumen aus Papier.

Bliebe noch zu erwähnen drei wunderbare Videos von Christoph Brech, für die es sich lohnt, eine längere Pause einzulegen, sechs eher unscheinbare Ölbilder auf Papier von Christina Chirulescu, die Neoninstallation „die zeitgenossin“ von Gabriele Horndasch, Ölbilder von Szilard Huszank von nicht realen Orten, der „Club der toten Dichter“ von Dietmar Pfister, das Wandgemälde von Markus Putze, das „Haus des Malers“ von Gerhard Riessbeck und der Rosengarten von Roland Schön.

Ausführlich stellen wir alle Künstler und ihre Arbeiten in einer Sommer-Serie vor.

Es war eine richtige Entscheidung, diese zweite Ausgabe der Triennale einem Kurator und nicht einer Jury zu überlassen und damit die Subjektivität zum Prinzip zu erheben. Auch wenn die eine oder andere Arbeit in der Gegenüberstellung etwas schwächer wirkt als andere, ist Hans-Peter Miksch eine spannende Ausstellung gelungen, die uns überrascht, stellenweise irritiert, auch mal fordert und viel Spaß macht. Eines tut sie glücklicherweise nicht: langweilen.

anders:wo

Die zweite Triennale für zeitgenössische Kunst in der Kunsthalle ist bis 23. September zu sehen. Am 2. August und 9. September, jeweils 19 Uhr, führt Kurator Hans-Peter Miksch durch die Ausstellung. Am 6. September, 19 Uhr, gibt es ein Gespräch in der Großen Halle: Der Kurator Miksch, der Theologe Albrecht Garsky und die Journalistin Katharina Winterhalter diskutieren über „Künstlerische Entwürfe und Gegenentwürfe für ein Anderswo“.

Wie schon bei der ersten Triennale gibt es Preisträger. Den Hauptpreis – eine Ausstellung in der Kunsthalle samt Katalog – vergibt eine Fachjury. Die Besucher entscheiden über den Publikumspreis.

Szilard Huszank: Konstruierte Landschaftscollagen.
| Szilard Huszank: Konstruierte Landschaftscollagen.
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