
Der Name wird den meisten nichts sagen. Doch Benzion Kellermann ist einer der großen Söhne Gerolzhofens. Er war in der wilhelminischen Ära und in der Frühphase der Weimarer Republik ein viel beachteter Philosoph, Pädagoge und Reform-Rabbiner.
Nach ihm soll jetzt die Treppenanlage benannt werden, die von der Schuhstraße zwischen dem Anwesen Dittmeier und dem Gedenkstein für einstige jüdische Mitbürger hinab zur Bleichstraße führt. Das beschloss der Stadtrat einstimmig.
1869 in Gerolzhofen geboren
Den entsprechenden Antrag auf eine „Benzion-Kellermann-Stiege“ hatte das Kulturforum Gerolzhofen gestellt. Vorsitzender Burkhard Tebbe, gleichzeitig auch Stadtratsmitglied, erklärte in der Sitzung, dieses Wegstück eigne sich bestens, denn die Treppenanlage hatte bisher noch keinen Namen.
Benzion Kellermann wurde am 11. Dezember 1869 in Gerolzhofen geboren. Seine Jugend verbrachte er mit acht Geschwistern im Haus seiner Eltern in der Schuhstraße 20. Der Vater war der Lehrer und Kantor Josef Kellermann, die Mutter Blümchen Kellermann.
Benzion Kellermann wechselte zum Studium von Gerolzhofen nach Höchberg, Würzburg und Marburg, kehrte aber immer wieder in seine Heimatstadt zurück, um seine Mutter zu unterstützen.
Als Geisteswissenschaftler machte er sich um die Verständigung zwischen Juden und Christen verdient. Er setzte sich für ein respektvolles und friedvolles Miteinander der Religionen ein.
Kellermann war eine wichtige Persönlichkeit des Berliner liberalen Judentums vor der Schoah, also dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Europas. Als selbstständiger Schüler Hermann Cohens forderte er, von Immanuel Kant und dem Marburger Neukantianismus ausgehend, die Herausbildung einer universalen Menschheitsreligion der Vernunft. Das liberale Judentum sah er bis dato als einzige Religion, die sich schrittweise diesem Ideal annähern würde.
Selbstbewusster Jude
Deshalb blieb er immer ein überzeugter und dem Christentum gegenüber selbstbewusster Jude. Kellermanns Biografie entkräftet die pauschalen Anklagen, dass liberaljüdische Selbstverständnisse immer eine Selbstverleugnung oder Aufgabe jüdischer Identität gewesen seien, und zeigt stattdessen die Vielfalt möglicher Identitätskonstruktionen innerhalb des deutschen Judentums auf. Diese Biografie von Dr. Torsten Lattki aus dem Jahr 2015 trägt den Titel „Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und Vernunftreligion“ (Göttingen, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht).
Die erste Werkbiografie Kellermanns leistet einen wichtigen Beitrag für die Erforschung der jüdischen Geistesgeschichte von den 1870er Jahren bis in die Anfänge der Weimarer Zeit, der für die Jüdischen Studien, die christliche Theologie, die Philosophie und die Geschichts- und Kulturwissenschaften bedeutsam ist, heißt es im Verlagstext.
Benzion Kellermann starb 1923 in Berlin und ist auf dem Friedhof Weißensee bestattet.
Weitere Stolpersteine werden verlegt
Neben der Benennung der Treppenanlage wird es am 29. Juni zur vierten Verlegung von Stolpersteinen kommen. Dazu hat Künstler Gunther Demnig sein Kommen zugesagt. Die Steine sollen an die Deportation von sechs jüdischen Mitbürgern erinnern, die in der Schuhstraße wohnten. Die Steine werden auf dem städtischen Grundstück vor der Gedenkstätte in der Schuhstraße verlegt.
Diesmal hat Rektor Horst Fröhling die Mitwirkung der 7. Klassen an der Mittelschule zugesagt. Das Kulturforum freut sich nach den Worten Burkhard Tebbes, dass sich damit nach der Realschule bereits die zweite Gerolzhöfer Schule an dieser wichtigen Erinnerungsarbeit beteiligt.