Der Weg ist ziemlich unüblich. Zwei Stufen geht es hoch durch eine enge Tür in einen Lieferwagen, und plötzlich steht man inmitten eines Barbershops. Vor einem großen ovalen Spiegel liegen diverse Utensilien, Scheren, Rasierer, Kämme und Bürsten bereit.
Hinter dem schwarzen Drehstuhl steht Kledjon Allushi bereit, um seiner großen Leidenschaft nachzugehen. Seit diesem Sommer schneidet der 27-Jährige in seinem mobilen Barbershop Haare. Dabei hat er aus der Not eine Tugend gemacht.
Allushis Geschichte mit dem Haareschneiden begann vor knapp zehn Jahren. Als 18-Jähriger kam er gemeinsam mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder als Asylsuchender nach Deutschland. Von Düsseldorf aus begann eine Odyssee kreuz und quer durch Nordrheinwestfalen in die verschiedensten Geflüchtetenunterkünfte. In einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Paderborn waren die beiden dann in einer alten Kaserne untergebracht – mit zwölf Personen in einem Zimmer und 3000 Menschen insgesamt auf dem Gelände.
"Das habe ich mir Step by Step beigebracht"
Die Haare von Allushis Bruder standen nach drei Monaten schon in alle Himmelsrichtungen, erinnert er sich. Mit einem kleinen Rasierer wagte er sich an seinen ersten Schnitt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Danach musste er die restlichen Mitbewohner auch noch frisieren. "Das habe ich mir Step by Step beigebracht." Es folgte dann jedoch die Abschiebung.
Zurück in Albanien machte er das Haareschneiden zu seinem Beruf. Allushi hat den Meistertitel als Herrenfriseur in Albanien und hatte dort seinen eigenen Barbershop. "Der Beruf hat mir immer in schwierigen Zeiten geholfen", erklärt Allushi seine Berufung. "Ich fühle mich dabei einfach gut. Vor allem, wenn die Leute am Ende zufrieden gehen. Für mich gibt es kein besseres Gefühl."
Seit zweieinhalb Jahren ist er nun wieder in Deutschland. Zunächst arbeitete er in zwei Jobs in der Industrie. Aber es kribbelte in den Fingern. "Ich wollte wieder selbstständig werden", sagt er. Allerdings gab es da ein Problem. Sein albanischer Meistertitel wird hier nicht anerkannt, und das Friseurhandwerk unterliegt der Meisterpflicht. Er darf also keinen Friseurladen in Deutschland eröffnen.
Im Reisegewerbe gilt kein Meisterbrief-Zwang
Allushi recherchierte im Internet und fand eine Lösung. Bei einem Reisegewerbe fällt im Handwerk der Meisterzwang weg. "Ich möchte mich natürlich an alle Regeln halten", betont er. Von seinen Ersparnissen kaufte er vor knapp einem Jahr einen Lieferwagen, den er mithilfe seines Schwiegervaters zu einem mobilen Friseursalon umbaute.
Das Gewerbe auf Rädern ist jedoch noch in weiteren Punkten eingeschränkt. Allushi darf keine Werbung schalten und auch keine Termine mit Kunden vereinbaren. "Ich lebe von der Mundpropaganda", sagt er. Sein gelb-schwarz-lackierter rollender Barbershop steht aktuell an zwei Standorten in Bergrheinfeld, seinem Heimatort seit zwei Jahren.
"Es wird gut angenommen", berichtet er. Am Abend muss er mit seinem Wagen immer nachhause fahren, sonst wäre der Status des Reisegewerbes nicht erfüllt. "Für den Anfang bin ich zufrieden", sagt er. Die Kunden machen es ihm aber auch einfach, erklärt er. "Die Leute sind sehr freundlich, die mögen die Idee."
Für seinen mobilen Barbershop bekommt er viele Komplimente, vor allem wenn die Kunden hören, dass er alles selbst erschaffen hat. "Ich mag es, Respekt von den Leuten zu bekommen", sagt er. "Und ihnen Respekt zu geben." Und natürlich einen guten Haarschnitt. Den gibt es bei ihm in Bergrheinfeld am Montag und Dienstag vor den "Berger Stuben" in der Jahnstraße und am Mittwoch, Freitag und Samstag vor dem Restaurant "Hanoi" in der Schweinfurter Straße.