"Wer die Welt okay findet, wird kein Künstler" – mit diesem abgewandelten Zitat stieg Journalist und Moderator Karl-Heinz Körblein ein in das Gespräch zur politischen Kunst in Deutschland mit dem Maler Hartwig Ebersbach und dem Konzeptkünstler Ottmar Hörl. Zwei Künstler, die sehr unterschiedlich arbeiten und deren Begegnung vor allem deutlich machte, wie wesentlich das politische System zur Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen beiträgt.
Die großen wuchtigen Figuren von Dietrich Klinge schienen stoisch zuzuhören, im Hintergrund Ebersbachs explosive Bilder an der Wand. Die Gartenzwerge im Innenhof, die mit Pistolen aufeinander zielen, dachten sich die Zuhörenden vielleicht auch dazu, steht diese Arbeit, die extra für den Innenhof der Kunsthalle konzipiert wurde, doch exemplarisch für Hörls Schaffen. Hier begegneten sich zwei Menschen, die vielleicht keinen Dialog aufnehmen können, weil sie in unterschiedlichen Welten aufgewachsen und zur Sprache gekommen sind.
Rebellisch waren sie dennoch beide, auf ihre je eigene Weise. Der eine, Ebersbach, geboren 1940 in Zwickau und in der DDR erwachsen geworden ("ich war ein widerspenstiger Lümmel"), und der andere, Hörl, der ehemalige Präsident der Nürnberger Akademie der Künste ("ich habe als Straßenkämpfer in Frankfurt angefangen").
Hörl: "Man muss so ein bisschen die Welt auch sehen wollen."
Der eine, Ebersbach, erzählte aus seiner Biografie, von seinem harten Vater, davon, wie er sich schon früh die Figur des Kaspers entwarf, die ihm Schutz war und die auch "Rollenfigur für alle meine Lebensfragen" wurde. Er erzählte von den Repressionen durch die Stasi, durch das Staatssystem, das für Individualisten kaum Durchlass bot, davon, wie all dies "ein bestürzendes Gefühlschaos" produzierte. "Ausgerufen war der sozialistische Realismus, von dem keiner wusste, wie er künstlerisch auszusehen hat." Dort fiel er heftig aus dem gesellschaftlichen Rahmen. Er brachte allerdings mit wachsender Anerkennung im Westen "beim Klassenfeind" auch wiederum Devisen und Prestige mit zurück in den "sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat".
Es zeige sich allerdings durch die Jahre und durch die Systeme hindurch und für jeden einzelnen Menschen eines umso wichtiger und dürfe nicht vergessen werden: "Die Solidarität." Dazu zitierte Ebersbach Ernst Bloch: "Dass auch der Gescheiterte am Ende ein Sieger sein kann."
Hörl dagegen, der im westdeutschen Kunstbetrieb groß wurde, der Politik auch als Hochschullehrer betrieb und betreiben konnte ("Ich habe 25 Jahre lang jede Woche eine politische Brandrede gehalten"), lernte die kapitalistischen Mechanismen des Kunstbetriebes kennen und nutzen. "Man muss so ein bisschen die Welt auch sehen wollen." Er formulierte eloquent und nur auf den ersten Blick zynisch: "50 bis 60 Jahre lang die Welt verändern wollen, das geht nicht, schon gar nicht als Künstler … Subversivität ist eine Methode."
Als politische Figur habe er das Misstrauen gewählt, so Hörl, und dazu aufgerufen, auch künstlerisch Widerstand zu leisten. "Schließlich ist der Kunstmarktbereich eines der verlogensten Systeme." Man müsse "völlig skrupellos, wie ein Pirat in die Gesellschaft hineingehen, um sich das zu holen, was man braucht, denn junge Künstler, die Avantgarde sein wollen, sind, wenn sie von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden, zur Armut verurteilt". Alle Kunst sei per se politisch, die politische Idee sei ja, dass die Gesellschaft sich verändert. "Eine Gesellschaft, die sich nicht entwickelt, stirbt ab." Und: "Wir müssen auch als Künstler uns verändern."