Auch wenn Jesus beim Einzug in Jerusalem lieber auf einen Esel gesetzt hat: Pferde kommen in der Bibel öfter vor, wo ihre Kraft und Schnelligkeit gerühmt wird. Ab und zu wird auch mal gegen die antiken Streitwagen-Zugtiere ausgekeilt, als Symbole für wiehernde Wollust oder zügellosen Hochmut. Letzten Endes ist es aber der Mensch, mit dem immer wieder die Pferde durchgehen. Die Tiere dürfen seine Eskapaden allzu oft ausbaden.
Die Pferdesegnung auf dem Hof der Familie Tempel in der Gartenstadt sollte laut Ankündigung bei jedem Wetter stattfinden. "Wir haben jedes Wetter", stellte Diakon Joachim Werb zu Beginn der kurzen Andacht fest: mit Blick auf den irisch-schottischen Regen, der sich schnell mit Sonnenschein abwechselte, fast schon wie in den Highlands oder auf der Grünen Insel. Aus dieser Weltgegend stammt angeblich der Heilige Wendelin, Schutzpatron der Hirten, an den sich Werb nach dem musikalischen Gottesdienst erinnerte.
Der Frankenmissionar soll auf einer Romfahrt bei Trier hängengeblieben sein, um dort Schafe, Schweine, Rinder und Kühe zu hüten. Der Gedenktag des T(r)ierfreunds wird erst im Herbst gefeiert, mit Umritten. Ebenso wie der bekanntere Franziskustag, der zugleich Welttierschutztag ist. Kurz davor, am 2.Oktober, sollen auf dem Außengelände von St. Anton die kleinen Tiere gesegnet werden. Jetzt waren die "großen Tiere" an der Reihe. Neun Pferde versammelten sich hinter dem Reitstall, mitsamt Reitern und Reiterinnen.
Einige Hunde erhielten ebenfalls ihre Weihwasser-Segnung. Alles in allem schauten doch an die 30 Besucher vorbei, trotz des Aprilwetters im Mai. Während die Menschen nach wie vor Abstand voneinander halten müssen, sind uns die Vierbeiner derzeit besonders nahe: "In der Zeit mit unseren Tieren haben wir ein Gefühl wohltuender Normalität", sagt Gabi Treutlein, die seit vielen Jahren die Andachten organisiert, zusammen mit Diakon Werb. Seine erste Tiersegnung hat der Schonunger 2003 gestaltet. Durch die Beschäftigung mit den Abgründen moderner Massentierhaltung haben er und Ehefrau Martina zum aktiven Tierschutz gefunden.
Gott hilft Mensch und Tier gleichermaßen, heißt es im 36.Psalm, den Joachim Werb zitiert. "Der Mensch ist die Krone der Schöpfung": Auch dieser Herrschaftsanspruch wird gerne aus der Bibel abgeleitet. Der Heilige Franz von Assisi habe das anders gesehen, sagt der Prediger, "mit seiner Vogelpredigt und seiner Art, den Wolf zu umarmen." Dem Ordensgründer wird nachgesagt, beim Gottesdienst nicht nur lärmende Schwalben zum Schweigen verdonnert, sondern Vögel auch erfreut zu haben, durch Lobpreis ihrer himmlischen Flugkunst. In Gubbio hat Franziskus einen wilden Wolf dazu gebracht, Pfötchen zu geben und Frieden mit den verängstigten Menschen zu schließen: was natürlich eher symbolisch zu verstehen ist, aber schon an aktuelle Medien-Aufreger gemahnt.
Werb erzählt die Geschichte vom verletzten Pferd, das ein Dreivierteljahr im Stall ausharren musste, bis es wieder voller Freude auf die Weide durfte, zu seiner Herde. Wer fühlt sich da in Zeiten von Lockdown und Quarantäne nicht an sein eigenes Menschen-Los erinnert? "Das Glück der Erde liegt nicht nur auf den Rücken der Pferde, sondern auch in ihren Augen."
Überhaupt hat der Reitsport für den Seelsorger viel mit dem Leben zu tun, das Gefühl des "Obenaufseins", ebenso wie das Bewusstsein, auch mal abgeworfen werden zu können. Geduldig folgen die Pferde "ihrer" Andacht, was auch am Gnadenbrot-Alter einiger Teilnehmer liegt. Charly, der Senior, ist schon 30. Der Haflinger Attila, ein Therapiepferd, und die Isländerin Snerpa ("die Spritzige") sind nur wenig jünger.
Rechtzeitig zur Segnung kommt die Sonne heraus. Zur Ermunterung dürfen Ross und Reiter selbstgebastelte Hufeisen mit nach Hause nehmen, Motto "Du stehst uns mit deiner Hilfe immer bei". Ein bisschen Glück und Beistand kann momentan schließlich jeder gebrauchen.