Der Architekt und Städteplaner Theodor Fischer wurde am 28. Mai 1862 in Schweinfurt geboren. Als der Vater starb, war er erst sieben Jahre alt. Trotz der finanziell schwierigen Jahre besuchte er das humanistische Gymnasium. Obwohl er eigentlich Maler werden wollte, studierte er auf Drängen der Familie Architektur an der Technischen Hochschule in München. Aus grundsätzlicher Abneigung gegen „Examina und Titelwesen“ verließ Fischer 1885 die Universität vor dem formellen Abschluss.
Wegen seiner offensichtlichen Begabung verschaffte ihm sein Lehrer Friedrich von Thiersch eine Stelle bei Paul Wallot in Berlin, der beim Bau des Reichstages eine Schar fähiger junger Architekten um sich versammelte. 1889 machte sich Fischer mit dem Architekten Reuter in Dresden selbstständig. 1893 zog Fischer nach München. Trotz einer 1901 verliehenen Honorarprofessur für Städtebau an der Technischen Hochschule folgte er einem Ruf als Professor für Bauentwürfe an die TH Stuttgart. Damit setzte seine erfolgreichste Schaffenszeit ein. Binnen kurzer Zeit entstanden zahlreiche wichtige Bauwerke: Das Theater in Heilbronn (1902), die Arbeitersiedlung in Gmindersdorf (1903), der Gewinn des Wettbewerbs für die Universität Jena und die Fangelsbach-Schule in Stuttgart (1905).
Die Schwerpunkte seines Schaffens lagen in Altbayern beziehungsweise Württemberg. Dennoch versagte sich Theodor Fischer auch Anfragen und Aufträgen seiner unterfränkischen Heimat nicht und hielt zeitlebens Kontakt zu Schweinfurt. Zu den frühesten Projekten gehören 1893 seine unausgeführten Vorschläge für ein Kriegerdenkmal, das auf dem Gelände des aufgelassenen Alten Friedhofes entstehen sollte. Er kam nicht zum Zuge. Der Schweinfurter Bildhauer Wilhelm Kämpf schuf das Monument nach dem Entwurf des Münchner Künstlers Ignatius Taschner. Die Bronzefigur musste im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen werden, der Rest fiel Bomben zum Opfer. Nur zwei Löwen aus Sandstein „bewachten“ reichlich ramponiert den Eingang, bis sie restauriert wurden.
Wie aus einem im Archiv der Turngemeinde erhaltenen Brief Fischers hervorgeht, war er über diesen Vorgang tief verletzt. Er schrieb unter anderem: „Daß ich nach der niederträchtigen Behandlung, die mir meine lieben Mitbürger in der Denkmalangelegenheit angedeihen ließen, lange keine Lust mehr verspürte, für den Ort, der mir gegenüber so geringe Begriffe von Anstand gezeigt hatte, irgend Etwas zu leisten, werden Sie nicht unbegreiflich finden.“ Trotzdem lieferte er 1894 Entwürfe für eine Turnhalle nahe der Luitpoldstraße im Auftrag der Turngemeinde, die ebenfalls nicht ausgeführt wurden.
Fischers Risse zeigen eine symmetrische Front mit seitlichen Treppentürmen und Anbauten im sogenannten Heimatstil. Gebaut wurde die Turnhalle schließlich im Winkel zwischen Deutschhöfer- und Klingenbrunnstraße nach Plänen von Heinrich Egelseher. Der Vergleich des im Krieg zerstörten Bauwerks mit Fischers Entwürfen belegt jedoch, wie sehr sich Egelseher an dem großen Baumeister orientiert hat.
Von Theodor Fischer stammt der Entwurf für ein Denkmal „zur Erinnerung an die 100jährige Zugehörigkeit der Stadt Schweinfurt zur Krone Bayerns“, das 1903 auf der Nordseite der damals neuen Maxbrücke errichtet wurde. Obwohl die Brücke im Zweiten Weltkrieg unterging und 1958 bis 1960 ersetzt wurde, konnte das Denkmal 1997 aus im Bauhof lagernden Spolien in reduzierter Gestalt wieder erstellt werden. Im Mai 2011 wurden die bis dahin verschollene, originale Plakette mit dem Porträt des Prinzregenten Luitpold und die ursprüngliche Inschriftentafel der Stadt wieder übergeben. Oberbürgermeister Sebastian Remelé gelang es, die Gesellschaft Harmonie dafür zu gewinnen, aus Anlass von Fischers 150. Geburtstag eine Rekonstruktion des ursprünglichen Denkmals in voller Größe einschließlich des noch fehlenden Obelisken zu stiften.
1908/09 entstand im Auftrag von Pauline Wirsing die Wirsing-Villa in der Alten Bahnhofstraße 27. Das von 1963 bis 1984 nicht bewohnte Objekt verfiel zunehmend. Seit 1965 gehörte es dem Freistaat Bayern. Bis zum Eintrag in die Denkmalliste 1978 wurden zahlreiche Details der Ausstattung veräußert. Seit 1985 dient die Villa nach umfassender Sanierung als Dienstsitz des Arbeitsgerichts.
Von 1910 stammen die Pläne für ein Wohnhaus in der Gartenstraße 20, das Fischer im Auftrag des 1908 zugewanderten Bauunternehmers Jakob Glöckle als Teil der Bebauung des Kiliansberges schuf. Ziel war es, auf einem brach liegenden Weinberg zwischen Gartenstraße und Frankenstraße villenartige Wohnhäuser zu errichten. Anzunehmen ist, dass die Planung an der Bergstraße bis zum Haus Nr. 11 von Theodor Fischer erstellt wurde. Sämtliche Häuser wurden von der Firma Glöckle schlüsselfertig erstellt und später verkauft. Das Ensemble ist in dieser Form nicht mehr erhalten.
Theodor Fischer war mehrfach für Schweinfurt mit städtebaulichen Fragen befasst: 1909 legte er ein Gutachten und Pläne für die Bebauung der alten Befestigungswerke vor. Infolge der sich verschlechternden Wohnverhältnisse hatte das Bayerische Innenministerium 1917 den Bau von Kleinwohnungen verlangt, die in einer „gartenstadtartigen“ Anlage entstehen sollten. Dazu gründete sich 1917 ein Bauverein, die Hospitalstiftung erwarb 32 Privatgrundstücke in der Blauen Leite, An der Pfanne und an der Galgenleite. Die ersten Häuser in der Gartenstadt entstanden im Erbbaurecht ab Frühjahr 1920 auf der Basis einer Generalplanung von Theodor Fischer nach Entwürfen des Architekten Rudolph Metzger (Schweinfurt).
Zweimal beschäftigte sich Fischer 1920 und 1927 mit Plänen zur Sanierung beziehungsweise für einen Neubau des Rathauses. Dafür hatte er unter anderem das Gelände des Alten Friedhofes oder der Steinwegschule ins Auge gefasst. 1922 bis 1926 arbeitete er einen Generalbaulinienplan aus. Eine Anforderung war, die sich abzeichnende Verquickung von Industrieanlagen und Wohnquartieren so zu gestalten, dass beide Bedürfnisse berücksichtigt wurden. Außerdem schuf er 1924 den Entwurf eines Mahnmales für die 731 im Ersten Weltkrieg gefallenen Söhne der Stadt auf dem Martin-Luther-Platz in Gestalt eines Kreuzes. 1923/ 24 entstand das Verwaltungsgebäude der Basaltwerke Laimbach, Ernst-Sachs-Straße. Der Bau wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zu seinen letzten Arbeiten für Schweinfurt gehört ein Gutachten für die 1926 von Peter Krammer erbaute Kirche St. Kilian, die ebenfalls ein Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde.
Theodor Fischer starb am 25. Dezember 1938 in München. Über 100 Bauwerke hat er ausgeführt und als Städteplaner Metropolen wie München oder Stuttgart seinen Stempel aufgeprägt. Über Jahrzehnte war er selbst in Fachkreisen vergessen. Noch 1987 wurde sein Sommerhaus in Schlederloh zum Abbruch freigegeben. Erst mit einer Retrospektive 1988 in München gelang die Wiederentdeckung eines der „bedeutendsten und einflussreichsten deutschen Architekten vor dem ersten Weltkrieg“.
Theodor Fischer
Vor 150 Jahren wurde der Architekt Theodor Fischer in Schweinfurt geboren. Er starb am 25. Dezember 1938 in München. Über 100 Bauwerke hat er ausgeführt und als Städteplaner Metropolen wie München oder Stuttgart seinen Stempel aufgeprägt. Als Professor in Stuttgart (1901 bis 1908) und in München (von 1909 bis zu seiner Emeritierung) bildete er eine große Zahl junger Architekten aus, darunter zahlreiche, die folgende Generation prägende Persönlichkeiten wie Bruno Taut und Paul Bonatz, aber auch Erich Mendelsohn, Hugo Häring und Dominikus Böhm. Auch der junge Le Corbusier gehörte in den Kreis der wenigstens zeitweise von Fischer beeinflussten Architekten.
Seit 2003 erinnert der Architekten- und Ingenieurverein Schweinfurt an den großen Kollegen durch die Vergabe eines nach Theodor Fischer benannten Architekturpreises.