Gelegenheiten hätte es viele gegeben, aber über Jahrzehnte hinweg haben die politisch Verantwortlichen die Chance vertan, die ehemalige Synagoge in Theilheim als kulturhistorisches Denkmal zu bewahren. Jetzt soll dem früheren jüdischen Gebetshaus, das als landwirtschaftliche Gerätehalle sein Dasein fristet, zumindest durch eine Nutzung als Wohnhaus wieder Leben eingehaucht werden.
"Wir sind uns der geschichtsträchtigen Bedeutung des Gebäudes bewusst", sagt Bauherrin Tamara Huter. Seit fast zwei Jahren plant sie mit ihrem Partner den Umbau zum Wohnhaus. Zwei Decken sollen eingezogen werden, um den bis zum Dachstuhl offenen, mehrere Meter hohen Innenraum für Wohnzwecke nutzen zu können. "Wir werden sorgfältig mit dem Bauwerk umgehen", versichert Tamara Huter. Die Außenfassade mit ihren markanten Rundbogenfenstern soll erhalten bleiben. Das Denkmalamt ist eingebunden, restauratorische Befund-Untersuchungen seien bereits erfolgt.
"Ich finde das Vorhaben gut", sagt Bürgermeister Christian Zeißner. Durch die neue Nutzung werde der geschichtliche Hintergrund des Gebäudes aufgewertet.
Anders sieht es Wilhelm Bätz. Der gebürtige Theilheimer, der die meiste Zeit seines Lebens fern von seinem Heimatort verbracht hat und sich nun im Ruhestand intensiv der Geschichte des Dorfes widmet, sieht in der Freigabe des ehemaligen jüdischen Gebetshauses für eine dauerhafte profane Nutzung das "traurige Ende der Theilheimer Synagoge". Eine lange Abfolge von "Kulturbanausen im Gemeinderat" habe das Schicksal dieses bedeutenden Denkmals letztendlich besiegelt, schreibt Bätz im "Dorfblatt", einem von seiner Ehefrau Rumyana Nedkova-Baetz betriebenem Online-Portal. Den Artikel ließ er als Printkopie an die Theilheimer Haushalte verteilen.
Niemand wollte die Synagoge haben
Worum geht es Wilhelm Bätz? "Ich bin kein Don Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpft." Er hege daher auch nicht die Absicht, mit seiner Veröffentlichung den Gemeinderat umstimmen zu wollen. "Die Sache ist gelaufen." Ob landwirtschaftliche Nutzung oder Eigentumswohnungen, "das ist mir völlig egal". Seinen Artikel im Dorfblatt mit dem geschichtlichen Rückblick auf die im Jahre 1872 von Theilheimer Juden erbaute Synagoge sieht er als Abgesang auf die über Jahrzehnte nicht genutzte Chance, ein für das Dorf einmaliges Denkmal zu erhalten. "Wieviele Dörfer in Franken hatten eine so schöne Synagoge? Was hätte man daraus machen können?" Bätz hätte sich ein Dokumentationszentrum mit Lese- und Gemeinschaftsraum vorstellen können. Auch als "Konzerthalle" hätte man den großen Gebetssaal nutzen können.
Tatsächlich gab es aber kein Interesse, die Synagoge als Kulturdenkmal zu erhalten. Sie wurde für wenig Geld verscherbelt, weil niemand sie haben wollte – nicht der Freistaat Bayern, nicht die politische Gemeinde und auch nicht die israelitische Kultusgemeinde. Ignatz Bubis, dem 1999 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, soll sie angeboten worden sein, als er zur 900-Jahr-Feier 1994 in Theilheim weilte. Er habe abgelehnt, heißt es.
Synagoge brannte in der Pogromnacht bis auf die Sandsteinmauern nieder
Ein Blick zurück: In der Chronik ist nachzulesen, dass schon 1490 in Theilheim Juden wohnten. Anfang des 18. Jahrhunderts zählte das Dorf 200 jüdische Mitbürger. Sie unterhielten eine eigene Schule, das Ritualbad und die 1872 erbaute Synagoge. Das Ende der jüdischen Gemeinde in Theilheim begann in den Morgenstunden des 10. Novembers 1938, als SA-Kommandos aus Schweinfurt und Umgebung die Synagoge in Brand steckten. Die Dorfbewohner verweigerten aus Respekt vor ihren jüdischen Mitbürgern jede Kollaboration, selbst beim späteren Löschen des Brandes. Die Synagoge brannte bis auf die Sandsteinmauern nieder, sieben Thora-Rollen und das Archiv der jüdischen Gemeinde wurden zerstört.
Jahrelang war die Synagoge dann sich selbst überlassen, bis sie in den 1950er-Jahren von der Jewish Restitiution Successor Organisation (JRSO) zum Verkauf ausgeschrieben wurde. Die internationale Wiedergutmachungsbehörde hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um Entschädigungsansprüche für frühere jüdische Besitzer zu stellen. Hier hätte die Gemeinde zugreifen können, aber "die Bauruine wollte niemand haben", weiß Paul Cäsar, dessen Vater die Synagoge dann für läppische 2000 D-Mark kaufte. "Meterhoch lag der Schutt da drin", erinnert er sich an die langwierigen Aufräumarbeiten. Der Vater versah das Gebäude mit einem Dach und nutzte es als Maschinenhalle.
20 Jahre später stand die Synagoge wieder zum Verkauf, und die seinerzeit noch selbstständige Gemeinde Theilheim hätte wieder zuschlagen können, aber sie tat es wieder nicht. "Damals war kein Geld da und auch kein Verständnis", weiß Konrad Roth, der ehemalige Dorflehrer. Die Synagoge wurde deshalb privat weiterverkauft und ging in den Besitz der Familie Huter über, die ebenfalls landwirtschaftliche Maschinen dort abstellte.
Untere Denkmalschutzbehörde befürwortet Umbau zum Wohnhaus
Roth hatte in seiner 30-jährigen Amtszeit als Gemeinderat immer wieder mal die Initiative gestartet, die Synagoge in Gemeindebesitz zu bringen, um sie als Denkmal zu bewahren. Doch es seien klamme Zeiten und ein Umbau zu einem Museum "außerhalb des Möglichen" gewesen. Die jetzt geplante Nutzung als Wohnraum stört ihn nicht, "ich bin froh, dass die Synagoge erhalten bleibt".
Seitens der Unteren Denkmalschutzbehörde wird das Vorhaben ebenfalls positiv bewertet, da es "eine nachhaltige Nutzung des Baudenkmals und somit einen langfristigen Erhalt" verspricht. Da es sich aber um ein bedeutsames Anwesen handelt, wurde der Bauantrag an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zur fachlichen Bewertung weitergegeben. Eine Stellungnahme von dort steht derzeit noch aus.
Eine Gedenktafel vor dem Gebäude weist darauf hinweisen, dass dieses Gebäude der jüdischen Gemeinde einst als Synagoge diente und 1938 zerstört wurde.
Selbstverständlich kann man auch nicht jede ehem. Synagoge in eine Gedenkstätte oder gar in ein Museum mit entsprechenden Hintergrund umwandeln. Trotzdem denke ich, dass man für solche Gebäude langfristig eine gemeindliche Lösung hätte finden können. Es ist ja nicht so, dass es unzählige derartige Gebäude in einem Ort gibt.
Hier hätte die Gemeinde in der Vergangenheit wirklich zugreifen können - ja müssen. So etwas ist ja auch ein ortsbildprägendes Gebäude. Viel hätte man draus machen können, ein Haus für die Gemeinde, eine Bücherei, ein Dorfgemeinschaftshaus kombiniert mit geschichtlichen Hinweisen etc.
Es gibt Orte mit mehr Geld oder mit Visionen die hier schon lange zugeschlagen hätten!
Nun wird es ein Wohnhaus; das ist sicherlich keine 1A Lösung und auch keine 1B Lösung aber nach so langer Zeit wird es wohl das Beste sein. Die Gemeinde wäre eh nicht mehr aktiv geworden wie es ausschaut.
Und, was sollte Herr Bubis mit einer Synagoge aus Theilheim...? Und die jüdische Gemeinde in Würzburg hatte nicht das Geld.