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SCHWEINFURT
Theaterchef Christian Kreppel: „Wir wollen Akzente setzen“
Der Tanz boomt, nicht nur in Schweinfurt: Szene aus einer Inszenierung der Gauthier Dance Company aus Stuttgart, die am 3. und 4. Mai 2019 gastiert.
Foto: Regina Brocke | Der Tanz boomt, nicht nur in Schweinfurt: Szene aus einer Inszenierung der Gauthier Dance Company aus Stuttgart, die am 3. und 4. Mai 2019 gastiert.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:29 Uhr

Theaterleiter Christian Kreppel im Interview: Über das 500. Konzert der Bamberger Symphoniker in Schweinfurt, die Höhepunkte im Schauspiel und die Frage, wie man einen für das Publikum anspruchsvollen und unterhaltenden Spielplan zusammenstellt

Die Theatersaison 2018/19 beginnt mit „Hexenjagd“ von Arthur Miller und endet mit „Nathan der Weise“. Sie haben sicher bewusst diese beiden Werke an Beginn und Ende der Spielzeit gesetzt?

Christian Kreppel: Es zeigt die Linie des Hauses, dass wir in dem starken und dichten Sprechtheaterspielplan mit 25 Stücken Akzente setzen wollen. Gerade bei „Hexenjagd“ stellt sich ja die Frage, ist das heute ein Thema? Geschrieben wurde es von Arthur Miller in der so genannten McCarthy-Ära in den 1950er Jahren in den USA. Und ja, in den Zeiten des Trump-Phänomens gibt es ganz viele Bezüge und wir sind von der Grundproblematik, die Arthur Miller zeigen wollte, heute gar nicht so weit weg. Der „Nathan“ ist für mich eines der wichtigsten Stücke in Bezug auf Toleranz und Religion. Es sind vielleicht Plattitüden, aber es sind einfach die Themen, die uns jetzt gerade umtreiben und diskutiert werden. Wir versuchen immer über Saisonen hinweg, Inhalte weiterzuspinnen und Themen abzudecken.

„Die Realität ist für diejenigen, die ihre Träume nicht aushalten“. Ein wunderbarer Satz auf dem Plakat hinter Ihrem Schreibtisch. Gilt der auch für das Schweinfurter Theater?

Kreppel: Es stammt vom Residenztheater München. Theater entführt in eine andere Welt, oft eine Idealwelt und bildet die Realität draußen nicht immer ab. Man ist als Theatermacher immer in dem Spannungsfeld, ob man eine Illusion, eine Fantasie zeigt, die mit der Realität draußen nur bedingt zu tun hat oder eben die nackten, harten Tatsachen. Die Frage ist auch, was die Besucher erwarten, wollen sie reine Unterhaltung, wollen sie gefordert werden, wollen sie gespiegelt bekommen, was sie in ihrem Leben umtreibt? Für mich ist es ein zentraler Satz, der über jeder Theaterarbeit stehen könnte.

Was gibt es noch Interessantes im Schauspiel?

Kreppel: Zum Beispiel bin ich über „Marias Testament“ sehr glücklich, das die Hamburger Kammerspiele bringen. Ich verehre Nicole Heesters sehr, sie wollte nach ihrer ersten Saison in Hamburg ein Exklusiv-Gastspiel machen und hat sich Schweinfurt gewünscht, weil sie unser Haus von früher kennt. Da habe ich natürlich sofort den Spielplan umgekrempelt. Es ist ein tolles Thema. Eine Mutter hat ihren Sohn verloren und irgendwann im Lauf des Stückes merkt man, dass der Sohn Jesus Christus ist. Das Ganze hat eine wahnsinnig religiöse Komponente, sie macht das großartig. Auch Daniel Kehlmanns „Heilig Abend“ vom Euro-Studio Landgraf ist interessant. Es handelt sich um ein Zwei-Personen-Stück, ein Verhör, das in Echtzeit spielt. Die Frau, eine Literatur-Professorin, soll mit Terroristen zusammen arbeiten und ist dem Verhör-Spezialisten intellektuell haushoch überlegen. Es ist sehr spannend und berührt unsere inneren Ängste. „Clowns 2 1/2“ von Roberto Ciulli und Matthias Flake vom Theater an der Ruhr Mühlheim ist auch ein ganz besonderes Stück, ein ganz anderes „Sprechtheater“-Erlebnis: Es wird eineinhalb Stunden kein Wort gesprochen, was großartig ist. Es werden dabei dutzende Geschichten erzählt, echte Schauspielkunst ist zu erleben. Sprechtheater hat es ja nicht leicht heutzutage, aber wir können froh sein, dass es bei uns immer noch stark angenommen wird.

Oper ist für Sie auch ein wesentlicher Bestandteil des Programms?

Kreppel: Ja, ich bin natürlich durch meine Eltern, die beide Opernsänger waren, damit aufgewachsen. Es ist ein Phänomen, dass die Oper nicht mehr diesen ganz großen Zuspruch hat, egal, was man anbietet. Die Publikum-Rezeption verändert sich, aber ich bleibe dabei, Oper zeigen zu wollen. Augsburg wird weiter zu uns kommen, wir arbeiten schon seit 15 Jahren mit Dessau zusammen, sie bringen diesmal Puccinis „Manon Lescaut“, eine Paraderolle für Iordanka Derilova. Wir zeigen auch Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ von der Kammeroper Prag mit deutschen Solisten, unter anderem Daniel Behle, einem der besten deutschen Tenöre im Moment, und Gounods „Faust (Margarethe)“ vom Landestheater Detmold. Ich zeige auch ganz bewusst zwei, drei Produktionen, die grenzüberschreitend sind wie zum Beispiel „Through Darkness“ oder besonders für jüngeres Publikum „Rock me Hamlet“ von der Opernwerkstatt am Rhein. Unser Motto lautet: Keine Angst vor der Oper, die Oper lebt.

Auf dem Programm steht auch das 500. Konzert der Bamberger Symphoniker. Was erwartet die Besucher?

Kreppel: Diese Zusammenarbeit ist ein Geschenk, ein Glücksfall, das kann man nur immer wieder so sagen. Es ist ein A-Orchester, in der ersten Liga zu nennen mit den Münchner Philharmonikern, den Wiener Philharmonikern, der Dresdner Staatskapelle. Es ist nicht selbstverständlich. Sie konzertieren seit 1946 in Schweinfurt, wir sind der Standort wo sie am häufigsten außerhalb von Bamberg zu erleben waren. Wir haben lange überlegt, was wir anbieten. Manfred Honeck kam mit der Idee, „Die Fledermaus“ konzertant zu machen und ich bin gerne darauf eingestiegen, denn es wird davor nur ein Mal in der Elbphilharmonie in Hamburg gespielt, ein Mal in Bamberg und dann kommt es zu uns. Es ist eine Festvorstellung und wird ein langer Abend mit über drei Stunden, deswegen fangen wir auch schon um 17 Uhr an.

Kaum zu stoppen ist der Tanz-Boom in Schweinfurt?

Kreppel: Es ist ein deutschlandweites Phänomen, dass der Tanz so gut funktioniert. Wir versuchen eine große Auswahl zu bieten, die auch fordert, haben insgesamt zehn verschiedene Produktionen im Programm. Wir haben auch ganz bewusst nach Deutschland geschaut, zeigen das Ballett Dortmund, Gauthier aus Stuttgart, John Neumeiers Bundesjugendballett aus Hamburg und das Bayerische Junior Ballett München. Ich versuche auch, immer wieder neue Compagnien zu engagieren. Scapino Ballet aus Rotterdam war noch nicht hier, Ailey II aus New York noch nicht oder die spannende National Dance Company aus einem so kleinen Land wie Wales. Die Urban-Dance-Show spielt auf höchstem Niveau das Beethoven-Thema mit „The Next Level“. Wir veranstalten sehr gerne auch ein oder zwei Mal im Jahr Abende mit Tanzschulen, um die Jugend und die Kleinsten auf die Bühne zu lassen.

Es gibt erneut Puppenspieltage.

Kreppel: Gott sei Dank, es ist mir ein besonderes Anliegen. Wir haben eine Produktion mehr drin und sprechen alle Altersschichten an. Es ist uns gelungen, die Zuschauerzahlen deutlich zu steigern. Ich bin sehr dankbar dafür. Das Format gibt es seit 1973 und ist Vorbild für viele andere Städte gewesen. Dass Figurentheater ein Thema wie „Die Schachnovelle“ von Stefan Zweig abbilden kann, ist faszinierend.

Neben der Programmgestaltung für die nächsten Jahre und dem laufenden Betrieb haben Sie mit der Sanierung des Theaters ein weiteres ganz großes Thema. Was ist der aktuelle Sachstand?

Kreppel: Wir arbeiten seit zwei Jahren an diesem Thema. Dem Stadtrat wurde die zweite Machbarkeitsstudie präsentiert und der hat mit überwältigender Mehrheit sein „Ok“ gegeben. So können wir weiterarbeiten und planen. Sehr wichtig ist das Zeitfenster: Wir spielen in jedem Fall 2018/19 und ganz sicher auch 2019/20. Es kann sogar sein, dass wir noch eine Saison spielen können. Wir sind uns alle einig, dass wir es richtig machen und vor allem nicht zu viel Geld ausgeben wollen. Wir passen sehr genau auf, was wirklich sein muss und was schön wäre, zu haben. Es kann jeder versichert sein, dass wir nur das angehen, was wirklich sein muss. Es betrifft die Haustechnik und die Bühnentechnik aus den 1960er Jahren. Es betrifft das über 50 Jahre alte Dach, bei dem es ständig durchregnet. Es fehlen uns Räume, die jetzt vorgeschrieben sind, die es vor fünf Jahrzehnten noch nicht geben musste. Auch die Handkonterzüge müssen nach EU-Richtlinien auf elektrische Züge umgestellt werden.

Es wird dann, wenn umgebaut wird, sicher ein Angebot für die Abonnenten geben, weiter in Schweinfurt Theater sehen zu können?

Kreppel: Ja, und der allerletzte Stand der Dinge ist auch, dass wir noch einmal überprüfen, ob es nicht doch eine Möglichkeit für verkürzte Spielzeiten gibt. Es wäre ideal, wenn man in Intervallen sanieren könnte und dazwischen weiterspielt, um das Haus belebt und angenommen zu lassen. Im Foyer ist ja alles in Ordnung, da ist kein Bedarf und bei der Teilsanierung vor 18 Jahren alles erledigt worden. Es ist ein Phänomen, dass der Zuschauer nach der Sanierung nicht wirklich sehen wird, was passiert ist, denn im Foyer und im Zuschauerraum ändert sich nichts. Deshalb werden wir auf große Transparenz setzen, Führungen anbieten und den interessierten Menschen genau zeigen, was wir getan haben. Mein Ideal sind verkürzte Spielzeiten, aber wenn wir doch schließen müssten, dann sind wir natürlich intensiv auf der Suche nach Ersatzspielstätten in Schweinfurt. Es gab auch schon erste Gespräche über Zuschüsse des Freistaates, wo wir in guter Hoffnung auf Unterstützung sind.

Zum Ende der Spielzeit 2018/19 kommt das Deutsche Nationaltheater Weimar mit „Nathan der Weise“ ins Schweinfurter Theater.
Foto: Volker Beinhorn | Zum Ende der Spielzeit 2018/19 kommt das Deutsche Nationaltheater Weimar mit „Nathan der Weise“ ins Schweinfurter Theater.
Cipoll Schachnovelle       -  Die 28. Puppenspieltage stehen im April 2019 auf dem Programm, unter anderem mit der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig.
Foto: Frank Pusch | Die 28. Puppenspieltage stehen im April 2019 auf dem Programm, unter anderem mit der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig.
500. Konzert der Bamberger Symphoniker in Schweinfurt: Ein Höhepunkt der Saison 2018/19 im Theater am 2. März 2019.
Foto: Andreas Herzau | 500. Konzert der Bamberger Symphoniker in Schweinfurt: Ein Höhepunkt der Saison 2018/19 im Theater am 2. März 2019.
 
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