
Auf künstlerischer Ebene klappt die Idee der europäischen Union wunderbar: In einer Koproduktion mit dem Opernhaus Usti nad Labem (Universitätsstadt in Nordböhmen) und der Kammeroper Prag präsentierte das Thalia Theater Wien am Donnerstag im ausverkauften Schweinfurter Theater Franz Lehárs Meisteroperette "Die lustige Witwe".
Das Publikum ließ sich gern entführen in das Paris anno 1905: Es genoss den betörenden Rausch der Lehár-Klänge und die turbulente Handlung mit Liebe, Eifersucht, Intrigen – und Happyend im dritten Akt.
Auf einem Ball trifft der Botschaftssekretär Graf Danilo seine inzwischen verwitwete Jugendliebe Hanna Glawari wieder, die er seinerzeit aus adeliger Familienrücksicht nicht heiraten durfte. Und prompt flackert bei beiden wieder die Liebe auf. Doch das wiedergefundene Glück hat einen Haken: Die junge Witwe ist nämlich auch eine reiche Witwe, und Danilo befürchtet ihren Argwohn, auch er könne nur ihr Geld wollen.
"Lippen schweigen, 's flüstern Geigen, hab dich lieb"
Darum schwört er, ihr niemals zu gestehen "Ich liebe dich". Aus dieser Idee des Textbuches von Viktor Léon hat Lehár einen der schönsten Walzer der Operettenliteratur geschaffen, der davon erzählt, dass eben nicht nur der Mund die Liebe äußern kann: "Lippen schweigen, 's flüstern Geigen, hab dich lieb". Und mit diesem Evergreen glänzt das Sängerpaar Michael Kurz (Danilo) und Frauke Schäfer (Hanna) mit unangestrengter stimmlicher Eleganz. Schnell hat das Publikum im Tenor Michael Kurz einen gern gehörten Künstler erkannt, der hier schon oft mit anderen Bühnen gastierte.
Am Pult des sauber und dynamisch musizierenden Orchesters kann Milan Kanak aus dem Vollen schöpfen: Die damals kühnen Klangkompositionen Lehárs erinnern an das symphonische Werk von Mahler, Debussy und Richard Strauß, neu ist auch das Prinzip einer aufgefächerten Streichermelodie mit gegenläufigen Bläserstimmen. So im von Frauke Schäfer beseelt interpretierten "Vilja-Lied" oder in "Lippen schweigen": Hohe Violinen und weich dahin fließende Sextolen der Flöten und Klarinetten verbinden sich mit dem Glissando der Harfe. Fast erotisierende Klänge.
Ansprechende Ausstattung
Dana Haklová hat für eine ansprechende Ausstattung gesorgt, die für die großen Tanzszenen genügend Raum lassen: Den prächtigen Ballsaal der Gesandtschaft, Hannas Stadtpalais und die flirrende Atmosphäre des Nachtlokals "Maxim". "Dann geh ich ins Maxim" kündigt Lebemann Graf Danilo immer an, wenn er seine Grisetten wieder sehen möchte. Operettenfans kennen längst die Namen der feschen Tänzerinnen: Lolo, Dodo, Joujou, Clocio, Margot, Froufrou. Die begeistern in einem mitreißenden Cancan mit gerüschten Röcken, Bein, Po und Spagat (Choreografie Jiri Pokorny).
Der Bassist Ivaylo Guberov hat die Operette wohltuend traditionell inszeniert, stellt statt eigener Einfälle Lehárs Lieder, Walzerreigen und Balkanfolklore in den Vordergrund. Er spielt den Gesandten Baron Mirko, der von den Eskapaden seiner Frau Valencienne mit Camille de Rosillon nichts mitkriegt.
Die Rolle der Valencienne spielt und singt mit jugendlichem Charme und strahlendem Sopran Heidi Manser. Ihren heißblütigen Verehrer (Martin Mairinger) nervt sie immer wieder mit ihren Stop-Zeichen: "Ich bin eine anständige Frau". Auch die übrigen Mitwirkenden halten mit großem Einsatz das amüsante Verwirrspiel am Laufen. Großer Applaus für eine großartige Ensemble-Leistung.