
Enorme Mengen anabole Steroide, Wachstumshormone und weitere Doping-Substanzen für die Bodybuilder- und Kraftsportszene hat der 52-jährige Hauptangeklagte illegal aus dem Ausland beschafft, teils selbst konsumiert, aber zum größeren Teil damit gewinnbringend gehandelt. Das hat er zum Prozessauftakt vor der Großen Strafkammer des Landgerichts gestanden. Für die vielen Verstöße gegen das Arzneimittel- und Antidoping-Gesetz von 2012 bis 2016 fordert der Staatsanwalt nun eine Haftstrafe von drei Jahren und elf Monaten.
Mithelfer bekam Dopingmittel zum Einkaufspreis
Für den 48-jährigen Mitangeklagten – wie der 52-Jährige jahrelang aktiver Bodybuilder mit Wettkampf-Ambitionen und Konsument von Dopingmitteln aller Art – beantragt der Anklagevertreter wegen Beihilfe zum illegalen gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Arzneimitteln zum Doping im Sport zwei Jahre Haft auf Bewährung. Der Mann hatte beim Bezahlen und Verteilen der Warenlieferungen geholfen und dafür die Substanzen für seinen Bedarf zum Einkaufspreis bekommen.
„Frag mich lieber nicht, dann muss ich dich nicht anlügen“
Den denkbar geringsten Anteil hatte die 44-jährige Angeklagte. Als damalige Freundin des 48-Jährigen hatte sie ihre Garage als Lieferadresse für die Pakete zur Verfügung gestellt, die in erheblicher Zahl von einem angeblichen „Autopark“ aus Litauen bei ihr eintrudelten. Spätestens nachdem sie den 48-Jährigen im Januar 2016 gefragt hatte, was das für Lieferungen seien, und dieser geantwortet habe, „Frag' mich lieber nicht, dann muss ich dich nicht anlügen“, hätte sie laut Staatsanwalt wissen müssen, dass da etwas nicht stimmt. Sie sei wie ihr Freund Wettkampfsportlerin in der Szene gewesen. Für ihren relativ „geringen Tatbeitrag“ findet der Anklagevertreter eine Geldstrafe von 1800 Euro (90 Tagessätze a 20 Euro) angemessen.
Pillen und Ampullen für über 100 000 Euro
Wie berichtet, hatte der Hauptangeklagte von Oktober 2012 bis Mai 2016 Arznei- und Dopingmittel zum schnelleren und gesteigerten Muskel- und Kraftaufbau im Fitness- und Kraftsportbereich aus China und Litauen beschafft. Geordert und gekauft hat er übers Internet. Für die Sendungen, die der Anklage zugrunde liegen, bezahlte der 52-Jährige mehr als 100 000 Euro. Einen Teil davon hat der Zoll sichergestellt, große Mengen fanden die Ermittler bei Durchsuchungen in den Wohnungen der beiden Männer.
Therapeutische Dosis einer Lieferung reicht für 70 Jahre
Die für die Strafzumessung relevante „nicht geringe Menge“ der Arzneiwirkstoffe überschreiten die Dopingsubstanzen, welche die Angeklagten konsumierten und in der Szene weiterreichten, um das Vielhundertfache. Eine Erlaubnis dazu hatten sie nicht. Eine einzige Sendung mit 1000 Ampullen Testosteron Enantat enthielt, so der Staatsanwalt, das 285-Fache der nicht geringen Wirkstoffmenge. Und: Die therapeutische Dosis dieser Lieferung würde für die ärztliche Behandlung eines Mangels an körpereigenem Testosteron für 70 Jahre reichen.
Bewährung auch für den Hauptangeklagten?
Knapp vier Jahre Haft für den Hauptangeklagten, wie vom Staatsanwalt gefordert – da ist schon von Gesetzes wegen keine Bewährung mehr möglich. Sein Anwalt plädiert – trotz des erheblichen Unrechtsgehalts seiner Taten – auf eine Bewährungsstrafe, die nicht höher als zwei Jahre ausfallen darf. Diese könne mit einer Geldstrafe kombiniert werden.
Der Dealer-Gewinn wird abgeschöpft
Eine Inhaftierung würde den Job des Gutverdieners kosten, sozialen Abstieg bedeuten, vielleicht auch Altersarmut. Den Gewinn aus dem Dopingmittelverkauf, der per Urteil „abgeschöpft“ werden muss, bezifferte der Verteidiger des Hauptangeklagten mit 20 000 Euro. Der Staatsanwalt war in seiner Rechnung auf mindestens 40 000 Euro gekommen.
Beamtenpension in Gefahr
Die Anwältin des 48-jährigen Helfers, der die Dopingmittelpakete entgegengenommen, weitergeleitet und Rechnungen überwiesen hatte, plädiert auf eine Bewährungsstrafe von weniger als einem Jahr. Grund: Fällt sie höher aus, stehe die Pension des Mandanten auf dem Spiel. Dieser sei aus gesundheitlichen Gründen im Ruhestand und auf das Ruhegehalt existenziell angewiesen.
Für die 44-Jährige fordert deren Anwalt eine Geldstrafe von lediglich 70 Tagessätzen a 20 Euro.