Waschen kann man heutzutage vieles: Autos, Geld und natürlich schmutzige Wäsche. Der Job des Niederwerrner Büchereiteams ist eher ungewöhnlich: An den Öffnungstagen der Gemeindebibliothek landen die zurückgegebenen Bücher erstmal in der Reinigung. "Die Medien müssen in die Quarantäne", sagt Mitarbeiterin Andrea Fuchs. Nach der Ausleihe kommt der potentiell kontaminierte Lesestoff in spezielle Plastikboxen, nach dem Abwasch wird er zum Trocknen aufgestellt. Momentan sind die bayerischen Büchereien wieder geöffnet, aber im letzten Jahr war doch einige Wochen lang Schicht im Schacht. "Besser, man ist vorsichtig", meint die Bibliothekarin. Eine Zeitlang hat die Bücherei einen Abholdienst organisiert, per Liste.
Wer den "Namen der Rose" gelesen hat, weiß, dass ein Buch nicht nur spannend, sondern auch gesundheitsschädlich sein kann: Bei einer Mordserie in einem mittelalterlichen Kloster nehmen – Vorsicht, Spoiler – die Opfer Gift in sich auf, in dem sie die Seiten eines verbotenen Werks mit befeuchtetem Finger umblättern. Ganz so letal ist Literatur heutzutage nicht mehr. Aber bei der Lektüre sollte man die Finger derzeit wirklich besser aus dem Mund lassen. Nach einschlägigen Laborstudien überleben Coronaviren einen ganzen Tag lang auf Papier, auf Plastikeinbänden schon mal bis zu 72 Stunden. Dazu müsste zwar ordentlich aufs Buch gehustet worden sein, aber Andrea Fuchs hat da schon Erfahrungen gemacht: Auch zu normalen Zeiten könne man sehen, was für kulinarische Genüsse es zusätzlich zum Lesefutter gegeben hat, vor allem bei Kinderbüchern.
Nicht nur Bücher werden gereinigt
Spiele, Zeitschriften oder Filme müssen ebenfalls gesäubert werden, gemäß dem Hygienekonzept in der Schweinfurter Straße. "Tulpenfieber" nennt sich der Streifen sinnigerweise, der oben auf dem DVD-Stapel liegt (im Historiendrama geht es aber nur um eine barocke Tulpenzwiebel-Bonanza in Amsterdam, keine neuartige Zierblumeninfluenza).
"Ein Buch ist ein Freund, der nie verreist", weiß ein jüdisches Sprichwort. Entsprechend war Belletristik begehrt, in der heißen Phase des Lockdowns. Sechs Leute dürfen jeweils eintreten, in die ehemalige Synagoge, mit Korb und Mundschutz, vorbei am Desinfektionsmittel-Spender. Dann werden sie an den Regalen vorbei geschleust, zu den Rückgabeboxen oder den Schutzscheiben vor der Ausleihtheke: "Manchmal steht draußen schon eine Schlange."
Bis zu 250 Bücher werden gewaschen
An die 150 bis 250 Bücher gehen jeden Tag durch die Bücherwaschanlage – keine leichte Aufgabe für das Team, zu dem auch Evi Hutter und Chefin Michaela Hettrich zählen. "Danach hab ich oft einen Tennisarm", sagt Andrea Fuchs. Dazu kommen Tests fürs Personal, ein bis zweimal die Woche: "Wir sind quasi ein Haushalt."
Das alles im zwanzigsten Jahr der neuen Gemeindebücherei, ein Jubiläum, das mit einer Basteltüten-Aktion für die Jüngsten gefeiert wird, rund um den kleinen "Raben Socke" (die beliebte Kinderbuchfigur gibt es schon seit 25 Jahren). Alle anderen Veranstaltungen sind natürlich abgesagt.
Außerdem steht noch die Bücherbox am Marktplatz, die ebenfalls "clean" gehalten werden muss. In der ehemaligen Telefonzelle können nach wie vor alte Bücher sinnvoll entsorgt oder kostenlos mitgenommen werden. Vor allem Lernhilfen für Schüler seien derzeit gefragt, berichtet die Bibliothekarin: als Nachschub fürs Home-Schooling.