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Gochsheim
Tanzen für Respekt: Was Gochsheimer Schüler dabei lernen
Was die Tanzlehrer-Legende Pierre Dulaine für Kinder aus der Bronx konzipiert hat, funktioniert auch hier, meint Bianca Pelzer. Sie begleitet das Projekt der Mittelschule.
Chice Kleidung war für die jungen Tanzpaare Pflicht.
Foto: Uwe Eichler | Chice Kleidung war für die jungen Tanzpaare Pflicht.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:08 Uhr

Tanzen heißt, bis zum Morgengrauen in der Disco abzuhoppen? Nicht in der Welt der rauschenden Ballnächte und glanzvollen Parkette. "Tanzen ist die Fähigkeit zu führen und zu folgen", lautet das Credo von Altmeister Pierre Dulaine. Für die New Yorker Tanzlehrer-Legende dreht sich in der Welt von Walzer, Swing und Foxtrott alles um Respekt und (Selbst-)Vertrauen, um Höflichkeit und Wertschätzung.

Ende 2018 weilte der Weltbürger und stilvolle Gentleman in Bonn, um Schüler und Tanzlehrer in sein Projekt "Dancing Classrooms" einzuweihen. "Social Dance" nennt sich das Konzept. Ursprünglich waren es Kinder aus der Bronx, die bei Dulaine festgestellt haben, dass Tanzen die einfachste Methode unter Fremden ist, aufeinander zu zu gehen. Seine Schrittfolgen aufeinander abzustimmen, sich nahe zu kommen und dennoch niemanden auf die Füße zu treten, unabhängig von der Herkunft. In Bonn mit dabei waren Tanzlehrer aus ganz Deutschland, auf Einladung des Bundesverbands ADTV, darunter Bianca Pelzer, Expertin für Kinder- und Gesellschaftstanz der Schweinfurter Tanzschule Pelzer.

Ein Hauch von Wiener Opernball

Die Eleganz der Dulaine´schen Lebensphilosophie will Pelzer nun weitertragen, nach Schweinfurt und Umgebung: "Tanzen für Respekt" nennt sich das Projekt in Gochsheim. Dort gibt es schon seit längerem eine Tanztradition, etwa den alljährlichen Abschlussball der Sportmittelschule in Zusammenarbeit mit der Tanzschule. Nun waren die fünften Klassen aufgefordert: Die 5a von Klassenleiterin Ramona Bartenstein sowie die 5b von Sandra Boy. Rund 40 SchülerInnen lernten ab Januar in über 20 Unterrichtsstunden im Rahmen des Ganztagesunterrichts Drehungen und Wechselschritte. "Einige haben richtiges Taktgefühl entwickelt", freut sich Sandra Boy. Auch Bianca Pelzer ist angetan, ein paar Talente seien schon dabei, auch wenn nach der kurzen Zeit natürlich noch nicht alles perfekt klappt.

Der "Tango-Skorpion" lässt grüßen: Bianca Pelzer zeigte den Schülern die Figuren und Schritte beim "Ballroom Dance".
Foto: Uwe Eichler | Der "Tango-Skorpion" lässt grüßen: Bianca Pelzer zeigte den Schülern die Figuren und Schritte beim "Ballroom Dance".

Zum Abschlusstag mit den stolzen Eltern herrscht in der Aula ein Hauch von "Wiener Opernball".  Tänzerische Perfektion ist gar nicht das Ziel, sondern das "Drumherum". Zum gewissen Etwas gehört, dass die jungen Herren die Nachwuchs-Damen auffordern, vom Platz abholen und nach dem Tanz wieder Arm in Arm zurückbegleiten, ganz Kavalier. Das alles in möglichst schicker Kleidung. Jeweils ein Paar darf den Tanz vorstellen: Los geht es mit der Heel-Toe Polka, gefolgt von Merengue, Foxtrott, Rumba, Tango und Swing. Als großes Finale gibt es einen ausgelassenen "Stomp" mit den Erwachsenen, zu den Country-Rhythmen von "Cotton Eye Joe". Die Smartphones werden reihum gezückt. Mitunter führen eindeutig die Mädels. Eine Muslima tanzt stolz mit dem Sohnemann.

Tanzen hilft aufeinander zuzugehen – auch zwischen Israel und Palästina

Pierre Dulaine war selbst "Flüchtlingskind" mit buntem familiären Hintergrund. 1944 wurde Peter Heney in Jaffa, heute ein Stadtviertel von Tel Aviv, geboren, als Sohn eines protestantischen Nordiren und einer katholischen Palästinenserin, im britischen Mandatsgebiet Palästina. Die Wirren der Staatsgründung Israels veranlasste die Familie zur Übersiedlung ins jordanische Amman, von wo aus sie während der Suezkrise 1956 nach England flüchten mussten. Dort half dem Teenager das Tanzen, die Außenseiterrolle zu überwinden. Später gründete Dulaine ein Tanzstudio in New York, von wo aus er seit 1994 das Projekt "Dancing Classrooms" betreibt, mit weltweiten Ablegern. Auch ins konfliktgeplagte Geburtsland ist der Tanzmeister zurückgekehrt, für das Projekt "Dancing in Jaffa": Israelische und palästinensische Kinder lernen Hand in Hand, Vorurteile abzubauen, auch andere Kulturen zu verstehen.

Ganz so dramatisch ist der Gochsheimer Hintergrund nicht: "In dem Alter geht es auch darum, die Scheu zwischen Jungs und Mädels zu überwinden", sagt Lehrerin Boy. Es geht diszipliniert zu. "Schö, aber eine Doppelstunde ist schon a weng viel", findet Jens. Für Fiona war der Unterricht zwar auch etwas "anstrengend", fasziniert und begeistert ist sie vom leichtfüßigen Dahinschweben aber schon. Am Ende überreicht Rektor Detlef Haas formvollendet Blumen an die (erwachsenen) Damen, die diesen Nachmittag ermöglicht haben. Der Traum von Bianca Pelzer ist es, weitere Schulprojekte zu starten: vielleicht sogar mit einer "Colors of the Rainbow Competition", einem Wettbewerb der Schulen untereinander.

Zum Abschluss des Projekts "Dancing Classrooms" an der Gochsheimer Mittelschule tanzten alle gemeinsam.
Foto: Uwe Eichler | Zum Abschluss des Projekts "Dancing Classrooms" an der Gochsheimer Mittelschule tanzten alle gemeinsam.
 
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