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SCHWEINFURT
Tag des offenen Denkmals: Schweinfurt weiß-blau und giftgrün
Tag des offenen Denkmals: Schweinfurt weiß-blau und giftgrün
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 14.09.2014 18:50 Uhr

„Schweinfurt ist bunt“ nennt sich ein Zusammenschluss von Bürgern, die Rassismus in ihrer Stadt nicht dulden wollen. Ob sie wohl wissen, wie bunt ihre Stadt wirklich ist, welch große Rolle Farben bei der Entwicklung der Stadt gespielt haben?

Während heute die metallverarbeitenden Betriebe die Arbeitssituation bestimmen, waren es früher die Farbfabriken. „Die Stadt war durchsetzt von Farbfabriken“, so Gästeführerin Bettina Geiger. Sie lud am „Tag des offenen Denkmals“ zu einer „Stadtführung in Farbe“ ein. Der Erfolg, rund 60 Interessenten, überraschte allerdings auch sie. „Mit so vielen Leuten habe ich nicht gerechnet.“

Die Führung begann am ehemaligen Mühltor, dessen Abbild noch heute im Haus Rückertstraße 27 als Deckengemälde zu sehen ist. Hier, im Osten der Stadt, begann einst das „Industriegebiet“. Erst der enorme Bedarf an Arbeitern für die Metallindustrie führte dazu, dass das Tor im 19. Jahrhundert abgerissen wurde, um Platz für die Menschen zu schaffen. Diese hätten damals in schlimmen Verhältnissen gelebt, erzählt Geiger, drei Männer mussten sich ein Bett teilen, die hygienischen Bedingungen waren miserabel.

Das Schweinfurter Farbenspiel begann nicht mit dem inzwischen ob seiner Giftigkeit wohlbekannten Schweinfurter Grün, sondern mit dem ebenso giftigen Bleiweiß. Johann Georg Gademann begann 1772 mit der Produktion in seiner Mühle in Niederwerrn. Er erweiterte sein Angebot auf die Fabrikation von Mineralfarben und expandierte nach Schweinfurt. Nach seinem Tod kaufte Johann Martin Schmitt seine Bleiweißfabrik in der Wehr, nach dessen Tod übernahm Gademanns Sohn, Christoph Friedrich, die erste Bleiweißfabrik Deutschlands – die grüne Villa in der Wehr, gegenüber des heutigen Jugendgästehauses.

Bleiweiß blieb nicht die einzige giftige Farbe die dort produziert wurde. Auch Ultramarinblau und das berüchtigte Schweinfurter Grün wurden hier hergestellt. Dem Schweinfurter Grün verhalf Wilhelm Sattler, den Gademann als Geschäftsführer in seinen Betrieb geholt hatte, zum Durchbruch. In seinem Schlafzimmer soll er solange mit der Farbe experimentiert haben, bis sie ihre Strahlkraft entwickelte.

Geiger gab auch einen Einblick in die Herstellung von Bleiweiß und Schweinfurter Grün. Bleiweiß entstand, wenn ein mit Essig gefüllter Topf, in dem sich eine Bleibanderole befand, verschlossen und in ein Gestell gehängt wurde. Dieses wurde mit Pferdedung aufgefüllt. Die entstehende Wärme trennte nach acht bis zehn Wochen die Essigsäure vom Wasser, das Bleiweiß setzte sich an der Banderole fest und musste nur noch gesammelt und getrocknet werden. Um Schweinfurter Grün herzustellen, bedurfte es dreier Kessel: Im ersten war ein Gemisch aus Arsenik und Wasser, im zweiten Grünspan und Wasser. Diese beiden Mischungen wurden aufgekocht und in einem dritten Kessel gemischt. Der so entstehende Niederschlag war gelb-grün. Erst die richtige Menge der später zugefügten Arsenik-Lösung verlieh der Farbe ihre Strahlkraft und machte sie lichtecht.

Die Farbwanderer machten sich dann auf Spurensuche nach Hinweisen auf diese farbige Vergangenheit der Stadt. Sie fanden sie beispielsweise unter der Treppe des ältesten Gebäudes im Zürch. Dort, in der Burggasse 17, waren noch Spuren des Bleiweiß zu sehen, an anderer Stelle rudimentäre Farbreste.

Selbst das Schweinfurter Stadtwappen gibt Hinweise auf die farbige Geschichte der Stadt. So haben dessen Farben – weiß auf blauem Grund – nach Geiger, nichts mit der Einverleibung der Stadt nach Bayern zu tun, sondern sind viel älter. Nach mehreren Farbwechseln lässt sich dieses Weiß-Blau seit 1771 nachweisen.

Das Druckhaus Weppert erinnert noch heute an eine weitere in der Stadt produzierte Farbe, das Chromgelb. Weil das Haus so angestrichen wurde, darf die daneben entstandene Post bis heute nicht in Postgelb erstrahlen. Ob himmelblau, chromgelb, giftgrün oder bleiweiß, es waren die Farben und deren Herstellung, die Schweinfurt bereits im 19. Jahrhundert zu einer Industriestadt machten.

 
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