"Ich bin vom Bauwurm befallen", soll Lothar Franz von Schönborn geseufzt haben, seines Zeichens barocker Fürstbischof von Bamberg. Auch an den Prachtbauten seines Neffen Friedrich Carl, als Würzburger "Prince-bishop" ebenfalls Toparistokrat und Spitzenkleriker, wurde nicht gespart. Sichtbarer Beweis ist das Wernecker Schloss, das in den Jahren 1733 bis 1745 von Balthasar Neumann hochgezogen worden ist. Der Stararchitekt der Schönborns dürfte manchen noch vom 50 Mark-Schein bekannt sein. Die einstige kurfürstliche Sommerresidenz beherbergt heute die Orthopädische Klinik, umgeben von Psychiatrie und weiteren Pflegeeinrichtungen des Bezirks.
Am Vorabend des "Tags des offenen Denkmals" lud der Landkreis traditionell zur Kulturveranstaltung ein, diesmal unter dem Motto "Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur". Die Eröffnung fand, dazu passend, in einem "Schloss der Moderne" statt (Bezirksrat Stefan Funk). "Werneck lebt mit dem Schloss und vom Schloss", stellte Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl fest, mit Blick auf 1400 Arbeitsplätze und zahlreiche Kulturveranstaltungen im Gemäuer.
Bausünden und Kriegsschäden beseitigte die Generalsanierung
Auch Professor Dr. Christian Hendrich fühlt sich dort vom "Bauwurm" infiziert, nachdem lange Zeit eher der Holzwurm und der Zahn der Zeit am Haus genagt hat. In einem Vortrag blickte der Ärztliche Direktor auf die Generalsanierung der Orthopädieklinik zurück, in mehreren Abschnitten seit 2001. Die Stationen und OP-Säle wurden modernisiert, Tomographiegeräte eingebaut, Roboter angeschafft. Hüften und Kniegelenke werden mittlerweile im hochsterilen OP-Zentrum operiert, in einer Art himmelblauer Astronautenanzüge. Karbonfäden im Boden leiten elektrische Stromstöße ab.
"Der Barock war bunt", stellt Hendrich fest: ein wertkonservativ-beschwingter Stil, den auch der heutige Zweckbau wiederspiegelt mit Farbeffekten, Barockelementen und LED-Beleuchtung. Allerdings: "Wir waren mit den Bausünden nicht von Jahrzehnten, sondern Jahrhunderten konfrontiert." Dazu kamen Kriegsschäden: Eine Brandbombe im Dachgeschoss der einstigen Unteroffiziersschule wurde zum Glück fachkundig gelöscht. Der Untergrund musste zusätzlich befestigt werden, ob des hohen Grundwasserpegels. Der Lauf der manchmal wilden Wern wurde ebenfalls gebändigt. Dafür spielt die Schlossklinik heute in der ersten Liga: wie einige der Fußballer, die in Werneck Sportverletzungen kurieren lassen. Auch die internationale Motocross-Elite sei unter den Patienten gut vertreten, berichtete Hendrich beim Bildervortrag im Café Balthasar.
Saxophon-Ensemble sorgte für einen beswingten Auftakt
Zuvor hatte Landrat Florian Töpper die Gäste in der Schlosskirche begrüßt, darunter seine Stellvertreter Peter Seifert und Christine Bender, MdL Paul Knoblach, Bezirksrat Stefan Funk, mehrere Bürgermeister und Kreisheimatpfleger Guido Spahn. "New York, New York" hieß es zum Auftakt: Die "Passion4Saxxes", ein junges musikalisches Gewächs des Celtis-Gymnasiums, spannten beswingt den Bogen vom Schlosspark über den großen Teich.
Im Café Balthasar widmeten sich Silvia Kirchhof und Achim Hofmann alias "Café Sehnsucht" dem Thema Umbrüche. Das Chanson-Duo aus Gerolzhofen wanderte augenzwinkernd durch die Geschichte: Neandertaler waren wenigstens echte Kerle, in der Odysee verwandelte Zauberin Kirke Männer in Schweine. In den 1920er-Jahren ging sie los, die Hatz, "mit der Uhr in der Hand", der Otto Reutter ein kluges Couplet gewidmet hat. Heute scheint das ganze Land vom platten Populismuswurm befallen zu sein. Ach ja, pst: Chemtrails sind in Wahrheit Abführmittel, dank Glaubersalz. Silvia Kirchhof träumte davon, Päpstin zu werden und die letzte echte Männerbastion zu stürmen. Bei Buffet und Schlossführung durfte sich das Publikum zumindest ein wenig als Fürstbischöfe (und Fürstbischöfinnen) fühlen.
Leider wurde aber der Schlosspark ansonsten seit dem Krieg unschön verbaut. Und auch die Wernecker Ortsplanung ist strukturlos und bezugslos zum Schloss, im üblichen Siedlungsbrei. Hier hat man eine große Chance versemmelt, das sog. "Unterfränkische Versailles" mit einem würdigen Rahmen zu umgeben.
Das Problem gibt es überall in Deutschland: Wir sind städtebauliche Provinzler, uns fehlen die Wurzeln der Stadtkultur des RR. Man kann Gemeinde- und Stadträten nur dringend empfehlen, sich gelungene moderne Orts- und Stadtplanung im südlichen und westlichen Europa anzusehen. Damit insbesondere Westdeutschland nicht noch restlos mit Siedlungsbrei vermüllt wird und jegliche Lebensqualität verliert. Andere Hässlichkeiten kommen ja noch hinzu, wie Mobilfunkmasten, Satellitenschüsseln, Windräder, etc