Wenn Maher Khaled auf seine Heimat angesprochen wird, dann mischt sich zarte Traurigkeit in seine ansonsten strahlend dunklen Augen. „Das Herz tut weh, wenn man weggehen muss“, sagt der junge Syrer, der aus Damaskus stammt. Doch recht schnell verschwindet das wehmütige Gefühl wieder. Sein Blick schweift in diesem Moment durch sein Geschäft, das sein ganzer Stolz ist und das er in Erinnerung „Al Sham“ genannt hat.
Der arabische Name seiner Geburtsstadt
Es ist der arabische Name seiner Geburtsstadt, der in großen Lettern auf der Glasscheibe zur Einkaufsstraße prangt und Kunden anlocken soll. Hier, in der Wolfsgasse, hat der 25 Jahre alte Flüchtling gemeinsam mit seiner Familie ein kleines Stück Heimat entstehen lassen. Im Dezember eröffnete er einen Imbiss, in dem süße Spezialitäten und traditionelle Backwaren, Fatayer genannt, verkauft werden. Die kleinen Leckereien werden nicht importiert, sondern sind alle handgemacht und werden frisch zubereitet.
Die sechs Wochen, in denen die Familie das Projekt mit dem eigenen Geschäft gestemmt hat, mit vielen Behördengängen, dem Umbau und Einrichten der Geschäftsräume, sind ein Klacks im Vergleich zur Zeit davor. Als die Familie Khaled mit ihren vier Kindern 2012 aus Syrien flüchtet, weil sie sich dort nicht mehr sicher fühlt, können sie nicht ahnen, welche Odyssee beginnt. Aber der Entschluss steht fest: „Es war alles schlecht. Wir wollten nur noch weg“, erzählt Maher Khaled, übrigens in sehr verständlichem Deutsch.
Drei Jahre auf der Flucht
Mehr als drei Jahre dauert schließlich die Flucht ins Unbekannte. Zunächst über Libanon und Ägypten führt der Weg, wo sie in Kairo die längste Zeit stranden. Eine Perspektive gibt es dort nicht, und so ziehen sie nach langer Zeit weiter über jene bekannte Flüchtlingsroute: Türkei, Griechenland und Balkan bis an die deutsche Grenze. Endstation ist am 25. August 2015 am Eingangstor in der Erstaufnahmeeinrichtung am Schweinfurter Kasernenweg. Vorerst. Nach drei Tagen müssen sie in eine andere Unterkunft umziehen, dann bekommen sie eine eigene Wohnung zunächst in Untereuerheim, später in Schweinfurt. „Wir waren sehr glücklich“, berichtet Maher, „davor waren wir bis zu elf Menschen aus zwei Familien in einem Zimmer.“
Es geht langsam aufwärts für die Familie. Maher und seine älteste Schwester lernen eifrig die deutsche Sprache, in einem Kurs an der Volkshochschule. Ihre neunjährige Schwester Rawan besucht mittlerweile die dritte Klasse einer Schweinfurter Grundschule. Und nebenbei kickt der einst talentierte Fußballer bei der Turngemeinde. In Syrien spielte er einst in der höchsten Nachwuchsliga.
Freunde und Vermieter helfen
Die berufliche Zukunft lässt Maher Khaled nicht aus dem Blick. Der gelernte Informatiker würde gerne in seinem früheren Beruf arbeiten, vielleicht auch eine Ausbildung machen oder gerne als Sportlehrer oder Trainer arbeiten. Die Idee mit einem Imbiss entsteht auf der Flucht, wo er in Restaurants gelegentlich Arbeit fand. In der Wolfsgasse findet die Familie im Herbst ein passendes Domizil. Der Vermieter kommt ihnen bei der Miete entgegen und steht ihnen immer wieder mit seinem Auto bei Einkaufsfahrten zur Seite. Die syrischen Führerscheine werden hierzulande nämlich nicht anerkannt. Freunde und Bekannte packen ebenfalls beim Umbau des Geschäftes mit an. Gleichwohl hat die Familie alles Nötige selbst bezahlt.
Anfang Dezember ist der große Moment gekommen: Al Sham öffnet seine Türen. Seitdem liegt eine Armada mit süßen Verführungen in den Auslagen zum Kauf bereit: Arabische Süßigkeiten mit Pistazien, Mandeln, Nüssen, Honig oder Cashew, eingewickelt teils im Blätterteig, teils im „Spezialteig“. Ein Freund der Familie bereitet alles zu. Für den größeren Hunger gibt es herzhafte Backwaren. Den pizzaförmigen Teig kann man je nach Geschmack mit verschiedenen Zutaten belegen lassen - unter anderem mit weißem Käse, feurigen Mohamara (scharfe Paprika), Oliven, Spinat oder Shish (Hähnchen). Sie sind in wenigen Minuten im Ofen fertig und werden mit einem Lächeln serviert. Obstsalate und frische Säfte ergänzen das Angebot.
Hemmschwelle bei Einheimischen
Vater Mohammad und seine Schwester Marwa unterstützen Maher im Al Sham. Auch sie sind glücklich über die neue Aufgabe, die sie hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Der Start in die Selbstständigkeit war jedenfalls vielversprechend. „Es läuft recht gut“, bilanziert der Inhaber, obgleich er sich einen noch stärkeren Zulauf besonders von den Einheimischen wünscht. Viele Deutsche, so hat er beobachtet, trauten sich noch nicht, in das neue Geschäft zu gehen. Sie schauten meist nur interessiert herein, gingen dann aber weiter.
Doch davon lässt sich Maher Khaled nicht entmutigen: „Wir haben hier so viel geschafft, dass ich heute wieder ein bisschen Glück empfinde, auch wenn ich mein Damaskus vermisse. Aber Schweinfurt ist jetzt wie eine zweite Heimat für mich.“
Du musst dich einmal überwinden, du wirst eine neue Erfahrung machen und Neuland betreten.
Traut euch, es lohnt sich.
Ich freue mich schon auf meinen nächsten Schnüdelausflug
Endlich wieder mal ein Grund nach Schweinfurt zu fahren.