Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde, formulierte einst Jean Paul, ein berühmter Franke, und zu Max Goldt, dem gebürtigen Niedersachsen und Wahlberliner, der in der Disharmonie aus seinem Werk vortrug, könnte dieser Spruch auch gut passen.
Schön, wenn der Freund, Leser und Zuhörer auch ein Freund des tiefgründigen Humors und der schrägen Themen ist. Denn Goldt, der berühmte Wortkünstler, Träger des Kleist-Preises und des Göttinger Elchs, liest durchwegs skurrile Texte und erschafft dabei Situationen, in denen die Zuhörenden sich in abstrusen Szenerien die abwegigsten Gedanken machen. Sehr lustig kann das sein.
In „Zeiten, in denen noch nicht jeder seine Geschlechtsteile ins Internet gehängt hat“, findet Goldt seine schönen Begrifflichkeiten, zum Beispiel die gerafften Röcke, die es nicht mehr gibt. Dass es und warum es ein Bidet in seiner Wohnung gibt, erläutert er aus mehreren Perspektiven und auch das ist lustig. Dann kommt er auf das Einkaufen von Lampen zu sprechen und alle wissen, was er meint: „Die Lampen leiden am meisten unter den Designern“. Das Aussuchen von Möbeln sei nicht ganz so verletzend, außer man gerate in eine Abteilung für „junges Wohnen“, und auch bei dieser Vorstellung kann das Publikum mitfühlend lächeln.
Ausgebreitete Beine und Einkaufstaschen
Goldt kennt sich aus mit Männern, die gerne mit weit ausgebreiteten Beinen sitzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Beispiel. Da gibt es anscheinend inzwischen ein geschlechtsspezifisches Pendant, nämlich die Frau, die überall ihre Einkaufstaschen verteilt. Er weist auch darauf hin, was so alles berichtet wird in den Nachrichtensendungen des gebührenfinanzierten Fernsehens, da schärft sich der Blick wieder alleine vom Zuhören Goldtscher Worte.
Vielleicht hat sich Goldts subtiler Humor in fein geschliffener Sprache in der Kugellagerstadt noch nicht herumgesprochen, deshalb ist der Saal der Disharmonie glücklicherweise nicht so überfüllt wie sonst. Deshalb findet der Goldtsche Humor Raum, sich zwischen den Zeilen und den Stuhlreihen auszubreiten.
Köstlich ist die Geschichte von einem, der im Institut für deutsche Sprache eine neue Redewendung anmelden will: „Bricht der Zweig, auf dem er sitzt, vergißt der Vogel, dass er fliegen kann“. Findet Ihr das nicht lustig? Die, die da waren, schon. Aber: „Take it easy, ihr alten Häuser“, es gibt ja Bücher von ihm zu kaufen, in denen seine Geschichten nachzulesen sind. Zum Beispiel die, wie man früher Hotels buchte und was man sich heute aus den im weltweiten Netz verstreuten Beurteilungen der Häuser zusammenreimen kann.
Unterhosen und Pfeffermühlen
Oder noch schöner: was weibliche Teenager, die Schleimvideos gucken oder selbst herstellen, sich von ihren Vätern aus der Stadt mitbringen lassen und was das Ganze mit „indischen Teenagerinnen, die überfahren werden“, zu tun hat. Oder vielleicht am schönsten die Hitzegeschichte, in der ein Autor in Unterhose am Schreibtisch sitzt. Dann aber toppt die Rekonstruktion des Gesprächs mit einem Freund das Vorhergelesene, denn da geht es neben Unterhosen auch noch um Pfeffermühlen in überdimensionierter Form, die wie eine „Grabbeigabe aus phallokratischer Vorzeit“ wirken. „Die Dummheit hört sich gern auf möglichst große Trommeln schlagen“, sinniert Goldt in leiser Lakonie und genießt freundlichen Beifall.