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REICHMANNSHAUSEN
Stummer Protest am Kirchplatz
Funkstille in Reichmannshausen: Weil sie keinen Mobilfunkempfang haben, gingen 100 Bürger zum stummen Protest auf die Straße. Weitere Unterstützer konnten sie nicht anfordern, weil sie keinen Empfang in ihrem Ort haben.
Foto: Guido Chuleck | Funkstille in Reichmannshausen: Weil sie keinen Mobilfunkempfang haben, gingen 100 Bürger zum stummen Protest auf die Straße. Weitere Unterstützer konnten sie nicht anfordern, weil sie keinen Empfang in ihrem Ort haben.
Von unserem Mitarbeiter Guido Chuleck
 |  aktualisiert: 21.02.2016 17:17 Uhr

Im stummen Protest versammelten sich gut 100 von 450 Einwohnern des kleinen Ortes Reichmannshausen. Weder Transparente noch Schilder waren zu sehen, und Bürgermeister Stefan Rottmann brauchte auch kein Megafon, um die Haltung der Bürger zum Thema Mobilfunk zu verdeutlichen. Sie wollen mobil telefonieren, aber können es nicht. Bei ihnen und ihren Mitbürgern in Hausen, Marktsteinach und Löffelsterz – allesamt Ortsteile von Schonungen – herrscht Funkstille, weil es dort keine Mobilfunkmasten gibt. In Reichmannshausen gab es deshalb den stummen Protest auf dem Kirchplatz.

Dass es in dem kleinen Ort keinen Mobilfunk gibt, hat wirtschaftliche Gründe. Das musste sich Rottmann von der Telekom sagen lassen, der man einen offenen Brief geschickt hatte (wir berichteten). Dort zeigte man auch Verständnis für das Ansinnen der Bürger. Sie durften sogar schon im Fernsehen ihrem dringenden Wunsch nach mobiler Telefonie Ausdruck verleihen, und beim stummen Protest war auch ein Reporter vom Bayerischen Rundfunk vor Ort. Allerdings ändert dies derzeit nichts, denn bei Orten unter 1000 Einwohnern engagiert sich die Telekom nicht, „weil es unwirtschaftlich ist“, musste Rottmann seinen Mitbürgern verkünden.

Deren Verständnis für die Haltung der Telekom und anderen möglichen Anbietern hält sich in Grenzen. Sie fühlen sich schlichtweg allein gelassen. Nicht von ihrem Bürgermeister und seinen Gemeinderäten, die würden gerne helfen und auch kommunale Gebäude für Funkmasten zur Verfügung stellen oder gar Sondergebiete ausweisen, versichert Rottmann. Selbst Mobilfunkmasten aufzustellen ist der Gemeinde untersagt, weil sie so in den privatwirtschaftlichen Wettbewerb eingreifen würde.

Gäbe es ein solches Problem in einem Ortsteil etwa in Nürnberg, würde die Misere schnell geregelt, beklagt Manfred Suhl die Benachteiligung der Bevölkerung auf dem Land. Lediglich am Haus vom Rentner Ekhard Niklaus habe man einen einigermaßen guten Empfang.

Nicht nur für die Jugend sei das fehlende Netz ein Problem. „Wenn hier ein Arzt unterwegs ist und zu einem Notfall gerufen werden muss, ist er nicht erreichbar“, warnt Suhl. Die Versprechen der Staatsregierung, den Netzausbau in Bayern zu steigern, lösen in Reichmannshausen nur Gelächter aus. Vorwürfe werden laut gegen die Politiker, die im Kabinett zuständig sind für Fragen rund um Medien und Digitales.

Die Dorfjugend trifft sich schon längst nicht mehr am Kirchplatz. „Wir haben ja nirgendwo Empfang“, begründet der 18-jährige Adrian. Passiert mal irgendwas, müsse man zum nächsten Haus laufen, in der Hoffnung, dass auch jemand da ist. Einen neuen Treffpunkt ausmachen gehe auch nicht, wenn alle schon unterwegs seien. Auch Lena (16) kann sich nur dann mit Freunden verabreden, wenn sie zuhause ist. „Da haben wir zwar Internet und WLAN, aber der Aufbau einer neuen Facebook-Seite dauert ewig lang.“

Trotz aller Widrigkeiten geben die Reichmannshauser die Hoffnung nicht auf. Mobilfunk sei für sie so lebenswichtig wie Strom und fließendes Wasser.

 
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